Land der Stifter und Schenker?
2. Juni 2002Verglichen mit den USA ist das Engagement aus privater Schatulle hierzulande immer noch marginal: Zu den etwa sieben bis acht Milliarden Euro, die Bund, Länder und Kommunen jährlich für Kultur ausgeben, gesellt sich nach Angaben von Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin höchstens "ein Zwanzigstel" aus Stifterhand hinzu. In den USA, die freilich immer schon die Tradition der Eigenverantwortung hochhalten, ist das Verhältnis umgekehrt: Aus Steuergeldern werden nur rund fünf Prozent der Kulturbudgets finanziert, 95 Prozent dagegen kommen von Unternehmen, Stiftungen oder Privatpersonen.
Allerdings hat man sich auch in Deutschland mehr und mehr an den Gedanken gewöhnt, dass Mäzene und Stifter angesichts des knappen öffentlichen Geldes einspringen müssen, um den Kultur- und Wissenschaftsbetrieb zu unterstützen oder sogar am Leben zu halten. Und das geschieht - für deutsche Verhältnisse - in nicht geringem Umfang: Gut 300 Millionen Euro fließen jährlich von Unternehmens- und Privatkonten in die Haushalte von Wissenschafts- und Kultureinrichtungen. 10.000 Stiftungen mit einem geschätzten Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro sind im Bundesverband Deutscher Stiftungen vereinigt, Tendenz steigend. Neben den bekannten Fördereinrichtungen wie der Deutschen Krebshilfe, der Volkswagen-Stiftung oder der Ernst-von-Siemens-Stiftung operieren viele kleinere Initiativen eher im Verborgenen.
Der Reichtum der Erbengeneration
Der Grund für den Stifterboom ist der wachsende Reichtum, der sich in den Händen der sogenannten Erbengeneration angesammelt hat. Und eine veränderte Steuergesetzgebung, die das Schenken erleichtert. Danach dürfen jetzt in den Vermögensstock einer neuen Stiftung bis zu 300.000 Euro steuerfrei eingezahlt werden. Und nicht zu vergessen: Ob Kunst oder Kultur, Bildung und Wissenschaft, Medizin und Soziales, Umwelt und Denkmalschutz - der klamme Staat hinterlässt immer größerer Lücken.
Dabei verstehen sich Mäzene nicht nur als Lückenbüßer. Überdies warnen Politiker und Künstler den Staat vor einem Rückzug aus seiner Verantwortung für die sogenannte kulturelle Grundversorgung.
Befriedigung von Eitelkeiten
Gefahren drohen aber auch noch aus einer anderen Ecke: Geben ist seliger als Nehmen, heißt es im Volksmund. Doch was ist, wenn sich der Geber zu viel herausnimmt? Mäzene sind in den seltensten Fällen selbstlos. Aktuelles Beispiel: die Firma Lockheed. Nach einer 10 Millionen Dollar-Spende für das Luftfahrtmuseum des renommierten Smithsonian Instituts in Washington setzte sie die Umbenennung des Museumskinos in "Lockheed Martin Imax Theater" durch. Neben knallharten PR-Interessen geht es manchmal auch nur schlicht um die eigene Eitelkeit.
So lächelt in den Programmheften der Salzburger Festspiele Alberto Vilar dem Konzertbesucher entgegen. Um die hundert Millionen Dollar hat der amerikanische Mäzen schon für Opernhäuser, Konzerte, Dirigentenwettbewerbe und weitere Nachwuchsförderung gespendet. Der Sohn eines kubanischen Zuckerbarons, der sein Vermögen an der Börse verdient hat, fördert unter anderem die Bayreuther Festspiele, die Berliner Philharmoniker, das Festspielhaus Baden-Baden, die Staatsoper unter den Linden und in Österreich die Salzburger Festspiele. Er selbst nennt drei Gründe für seine Freigebigkeit, die sicher auch für andere Spender gelten: "Erstens: Ich möchte unser kulturelles Erbe bewahren. Zweitens: Es gibt mir ungeheure Befriedigung. Zum dritten: Ich will ein Beispiel geben".