1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

"Mesut Özil ist nicht mein Held"

24. Juli 2018

Deutschland muss beim Thema Integration selbstbewusster auftreten, fordert die SPD-Politikerin Lale Akgün im DW-Interview. Angesichts der Debatte um Mesut Özil warnt sie vor Rückschritten in der Integrationspolitik.

https://p.dw.com/p/32082
Fußball WM 2014 Mesut Özil
Bild: picture-alliance/Pressefoto ULMER

Deutsche Welle: Ist der Fußballstar Mesut Özil die falsche Figur für das Thema Integration in Deutschland?

Lale Akgün: Von den Werten her ist Özil für mich kein Vorbild für die Jugend. Mein Held der Integration ist der junge Altenpfleger Ferdi Cebi, der neulich Bundeskanzlerin Angela Merkel durch das Stift in Osnabrück geführt hat, und nicht Mesut Özil, der in London zweimal in der Woche einem Ball hinterherjagt und dafür Millionen bekommt.

Die türkische Herkunft des Altenpflegers aus Osnabrück war beim Besuch der Kanzlerin kein Thema…

Das ist es! So funktioniert Integration! Sie ist dann gelungen, wenn wir nicht mehr darüber reden und permanent darauf hinweisen müssen, wie toll sich jemand integriert hat. Und das ist hierzulande schon Normalität. Und weil das so ist, wird darüber nicht geredet. Stattdessen reden wir über Mesut Özil. Das regt mich auf.

Ist Mesut Özil von dem türkischen Präsident Erdogan für seinen Wahlkampf instrumentalisiert worden?

Deutschland Lale Akgün
Lale Akgün warnt vor Rückschritten bei der IntegrationBild: picture alliance/dpa/D. Reinhardt

Wenn ich mir anschaue, dass wir es hier mit einem jungen Mann zu tun haben, der in London lebt und mehrfacher Millionär ist, kann ich mir kaum vorstellen, dass dieses Bild mit Erdogan so harmlos entstanden ist. Es war Wahlkampf in der Türkei, und ich bin überzeugt davon, dass Özil und seine Berater genau wussten, was sie taten. Özil hat sich meiner Einschätzung nach gerne instrumentalisieren lassen. Schon jetzt wird in der Türkei diskutiert, ob er nicht vielleicht für die Nationalelf spielen könnte.

Die Botschaft des Treffens war: Schaut her, es klappt eben nicht mit der Integration in Deutschland. Stimmt das? 

Für Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD im Bundestag, ist Özil ein Beispiel für misslungene Integration. Wenn man es so sieht, kann man davon ausgehen, dass alle jungen Männer mit türkischen Wurzeln in Deutschland eine misslungene Integration wollen. Denn das ist ja das, was alle anstreben und wofür Mesut Özil steht: Ruhm, Reichtum, tolle schnelle Autos und was alles dazugehört. An dem Beispiel kann man sehen, wie Özil auch von den Rechten instrumentalisiert wird.

Was läuft schief an der Debatte?

Das Problem ist, dass die deutsche Politik wirklich nicht weiß, wie sie mit dem Wort Integration umzugehen hat. Wenn Deutschland selbstsicherer bei dem Thema wäre, würden jetzt nicht alle auf das Thema springen. Man sollte den Fall Özil abschließen und in Zukunft eine klare Linie fahren. Es kann doch nicht sein, dass Deutschland eine Integrationspolitik macht wie in den 1970er-Jahren, nach dem Motto "Unsere lieben Ausländer, die dürfen auch mal in der Nationalelf mitspielen”. Nein! Es muss klar sein: Das sind Deutsche, auch wenn dies Frau Weidel oder Herrn Erdogan nicht gefällt.

Lale Akgün ist Bestseller-Autorin und deutsch-türkische Politikerin. Sie ist seit 1982 Mitglied der SPD und war von 2002 bis 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages. Zurzeit unterrichtet sie an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Die Fragen stellte Astrid Prange.