Lage von Migranten in Griechenland "explosiv"
31. Oktober 2019"Es ist eine explosive Situation", teilte Dunja Mijatovic mit, nachdem sie Lager auf Lesbos und Samos sowie in der Stadt Korinth besucht hatte. Es mangele an medizinischer Versorgung und ausreichenden sanitären Anlagen. Auf Samos bauten Familien Notunterkünfte aus selbstgeschlagenen Bäumen, führte die Menschenrechtskommissarin des Europarats aus. Für Essen und Toiletten müsse stundenlang angestanden werden. "Das hat nichts mehr mit der Aufnahme von Asylbewerbern zu tun. Das ist zu einem Überlebenskampf geworden."
Mijatovic lobte die finanzielle Unterstützung der Europäischen Union - sie betonte jedoch, dass das Problem nicht durch finanzielle Mittel allein gelöst werden könne. Griechische Behörden müssten alle bürokratischen Hindernisse beseitigen, die einer effektiven Verwendung der Gelder im Wege stünden, forderte Mijatovic. Gleichzeitig müssten die EU-Länder mehr Verantwortung übernehmen, um Wege für die Umsiedlung von Menschen aus Griechenland in andere Mitgliedstaaten zu finden.
Zehntausende harren auf Ägäis-Inseln aus
Die EU und Griechenland müssten zudem darüber nachdenken, wie die Gemeinden vor Ort besser unterstützt werden können, betonte Mijatovic. Diese nähmen seit Jahren "großzügig" eine große Zahl an Flüchtlingen auf. Aber die Empörung der Bewohner über "die derzeitige unhaltbare Situation" sei nicht zu leugnen.
Seit einigen Monaten kommen wieder verstärkt Migranten über die Ägäis nach Europa. Auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos harren zurzeit knapp 35.000 Flüchtlinge aus. Das ist die höchste Zahl seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Flüchtlingspaktes im März 2016. Im Registrierlager von Samos befinden sich nach jüngsten Angaben des Ministeriums für Bürgerschutz in Athen fast zehnmal mehr Migranten als das Lager aufnehmen kann. Auch auf Lesbos ist die Lage schlimm. In und um das Registrierlager von Moria leben zurzeit mehr als 14.000 Menschen - fünfmal mehr, als das Lager eigentlich aufnehmen kann.
Der Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei sieht vor, dass die EU alle Flüchtlinge, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann. Die Bearbeitung der Asylanträge kommt jedoch wegen Personalmangels auf den griechischen Inseln nur mühsam voran.
Änderung in Sicht?
Mit der Verteilung von Asylbewerbern in Europa befasst sich zurzeit der Europäische Gerichtshof (EuGH). Um die Ankunftsländer Griechenland und Italien zu entlasten, hatten sich die EU-Staaten 2015 mehrheitlich auf die Umverteilung von Asylsuchenden geeinigt. Die EU-Kommission hat Polen, Ungarn und Tschechien verklagt, weil sie sich dagegen sperren. Ein Urteil dürfte in den kommenden Monaten fallen.
Unterdessen debattiert das griechische Parlament am heutigen Donnerstag über die Verabschiedung eines strengeren Asylgesetzes. Der Entwurf sieht vor, Verfahren zu beschleunigen und abgelehnte Antragsteller im Rahmen des Flüchtlingspakts der EU mit der Türkei zügiger zurück in die Türkei zu schicken. Verschiedene Gewerkschaften und Hilfsorganisationen haben zu Demonstrationen gegen die geplante Verschärfung aufgerufen.
Bis zum Jahresende sollen dem Gesetzesentwurf zufolge zudem rund 20.000 Asylbewerber von den griechischen Inseln aufs Festland gebracht werden. Eigentlich sollen Antragssteller nach dem Flüchtlingspakt auf den griechischen Inseln der Ostägäis bleiben, bis über ihren Antrag entschieden ist - eine angesichts der völlig überfüllten Auffanglanger auf Lesbos, Samos und Chios zunehmend problematische Regelung.
ie/mak (dpa, ap)