1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie Deutschland bei KI aufholen will

22. Oktober 2024

Deutschland will im globalen KI-Wettlauf zu den USA und China aufschließen, so die Botschaft der Bundesregierung beim Digitalgipfel. Kann das klappen?

https://p.dw.com/p/4m5Ik
Bundeskanzler Olaf Scholz steht beim Digital-Gipfel an einem Rednerpult und spricht
Bundeskanzler Olaf Scholz preist beim Digital-Gipfel die Industrie: Deutschland Digital - Innovativ - SouveränBild: Andreas Arnold/dpa/picture alliance

Vertrauenswürdige Technologie, industrielle Daten, europäische Zusammenarbeit – mit diesen drei Schlagwörtern lässt sich der Plan zusammenfassen, wie Deutschland im globalen Wettlauf um künstliche Intelligenz (KI) aufholen will. 

Überall auf der Welt verändern Durchbrüche in der KI ganze Branchen. Gleichzeitig kommt keines der führenden KI-Programme aus Deutschland. Stattdessen dominieren vor allem die Anwendungen weniger Unternehmen aus den USA und China den Markt. 

Künstliche Intelligenz: Hat Europa noch eine Chance?

"Die Realität ist, dass zu lange zu wenig passiert ist", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Digital-Gipfel der Bundesregierung in Frankfurt am Main, einem jährlichen Treffen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Dennoch, so Scholz weiter, sei "ein Abgesang völlig unangebracht, denn die Kräfte, die in unserem Land stecken – Erfindergeist, Innovationskraft und Fleiß – tragen auch heute noch".

In Frankfurt beschreiben Minister und Ministerinnen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ihren Plan, wie Deutschland im globalen Wettlauf um KI mithalten will. Mittelfristiges Ziel sei es, das Land technologisch "souverän" zu machen, also unabhängig von den Angeboten ausländischer Tech-Giganten.

Gut in der KI-Grundlagenforschung, Aufholbedarf bei der Umsetzung

Forschung an "künstlicher Intelligenz" – Computerprogramme, die mehr oder weniger selbstständig Aufgaben erledigen, für die zuvor menschliche Intelligenz vonnöten war – reicht bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück. Immer wieder haben sich auch Forschende aus Deutschland als Vorreiter hervorgetan.

Befeuert durch die Verbreitung von Programmen wie ChatGPT, die scheinbar aus dem Nichts überzeugende Texte, Bilder oder Computercodes generieren, erlebt die KI heute einen neuen Hype. Dass jedoch erneut keine der weltweit führenden Softwares aus Deutschland stammt, verdeutliche ein grundlegendes Problem, warnen Analysten: Zwar leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag zur weltweiten KI-Forschung. Selten jedoch führe diese zur Entwicklung praktischer Anwendungen. 

Ein Grund dafür sei, so Scholz in Frankfurt, dass vielen Unternehmen – besonders, sobald sie eine bestimmte Größe erreichen – das nötige Risikokapital fehle, um weiter zu wachsen. Um Deutschland technologisch "souverän" zu machen, gelte es daher, mehr Investitionen zu mobilisieren: "Nur so werden aus Innovationen auch neue Geschäftsmodelle hier in Deutschland."

Wachsender Zuspruch in Industrie und Gesellschaft

Und doch tut sich schon etwas in Deutschland. Das legen die Ergebnisse einer neuen Studie nahe, die der Branchenverband Bitkom in Frankfurt vorstellte: Nicht nur sehen die Menschen in Deutschland künstliche Intelligenz zunehmend als Chance statt als Gefahr. Auch haben laut Studie des Branchenverbandes Bitkom inzwischen 20 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland KI in ihre Betriebsabläufe integriert – ein Plus von sechs Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Start-ups in der KI-Branche ist in diesem Zeitraum um 35 Prozent gestiegen, berichten Regierungsvertreter. Heute seien rund 92 Prozent von Deutschland mit dem Mobilfunkstandard 5G versorgt.

Ein junge Frau präsentiert ein KI-Gerät
Estella Landau berät Betriebe bei KI-AnwendungenBild: Janosch Delcker/DW

Dies scheint unter anderem ein Ergebnis der Bemühungen von öffentlich geförderten Initiativen wie dem Zukunftszentrum für menschzentrierte KI in der Produktionsarbeit (ZUKIPRO) zu sein. Der Verbund aus Forschenden, Technikern und Trainern berät kleine und mittlere Industrieunternehmen und Handwerksbetriebe wie Metzger, Tischler oder Goldschmiede kostenlos darin, wie sie KI einsetzen können.

"Die Betriebe erhoffen sich vor allem, Kosten zu sparen und effizienter zu werden", sagt Estella Landau von ZUKIPRO der DW. Es ginge auch darum, Berührungsängste abzubauen. "Viele Unternehmen interessieren sich für KI, wissen aber nicht genau, was auf sie zukommt, sind verunsichert und suchen Beratung."

Dominanz amerikanischer Anbieter

Gleichzeitig stammt ein Großteil der KI-Anwendungen, die deutsche Unternehmen nutzen, nach wie vor von US-amerikanischen Anbietern wie Microsoft oder Google – was die Frage aufwirft, inwieweit diese Nutzung Deutschland hilft, unabhängiger zu werden.

"Es ist eine mittelfristige Strategie und bedeutet nicht, dass wir am Ziel sind", räumte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf DW-Nachfrage ein. Seit Beginn der großangelegten russischen Invasion in der Ukraine 2022 sei jedoch ein Bewusstsein für die Bedeutung einer technologischen Souveränität sowohl in der Industrie als auch in der Politik stark gewachsen. Vor diesem Hintergrund beobachte sein Ministerium, "dass europäische und auch deutsche Technik nach vorne kommt."

Mehr Nutzung deutscher Industrie-Daten

Als weiteren zentralen Baustein von Deutschlands KI-Strategie hob Habeck die Nutzung von Industriedaten hervor. "Deutsche Unternehmen sitzen auf Schätzen von Daten", sagte der Grünen-Politiker. Diese würden dem Land erlauben, bei der nächsten großen KI-Welle ganz vorne mitzuspielen und neue Systeme zu entwickeln, die immer mehr spezialisierte Aufgaben übernehmen können.

Deutsche Unternehmen hinken bei KI hinterher

Dafür sei auch eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene entscheidend, so Habeck: "Deutschlands Datenvolumen, auch wenn es stark ist, wird allein doch zu klein sein – wir müssen einen europäischen Ansatz finden."

Europäische Zusammenarbeit bei KI

Gleichzeitig strebt Deutschland im Rahmen einer breiteren europäischen Strategie an, weltweit führend bei der Entwicklung von "vertrauenswürdiger" KI zu werden: Technologie, die penibel die Grundrechte von Nutzenden achtet und so einen Vertrauensvorschuss gegenüber Anwendungen von Herstellern aus Übersee genießen soll.

Die wohl einschneidendste Maßnahme ist die am 1. August in Kraft getretene "KI-Verordnung" der EU. Das weltweit umfassendste Gesetzespaket zur künstlichen Intelligenz, das risikoreiche KI-Anwendungen besonders strengen Regeln unterwirft. Entscheidend sei nun, mahnten Industrievertreter in Frankfurt, dass die Unternehmen Klarheit darüber bekämen, welche Regeln für sie gelten und welche nicht.

Das sicherten die deutschen Regierungsvertreter in Frankfurt zu. Zugleich betonten sie, dass der Ansatz richtig sei, um im globalen Wettlauf um die künstliche Intelligenz mithalten zu können. "Wir müssen eine andere Strategie verfolgen als die der amerikanischen Unternehmen", sagte Habeck.

Kommentarbild Janosch Delcker
Janosch Delcker Chefkorrespondent für Technologie