König verdammt Schwedens Corona-Sonderweg
17. Dezember 2020Während Schweden mit seinen zehn Millionen Einwohnern einen neuen Rekord von knapp 8900 Corona-Infektionen und 91 Todesfällen binnen 24 Stunden verzeichnet, übt König Carl XVI. Gustaf harsche Kritik. Über den Umgang der Regierung mit der Pandemie fällt der Monarch ein vernichtendes Urteil: "Ich denke, wir sind gescheitert", sagte er im schwedischen Fernsehen. "Viele Menschen sind gestorben, das ist furchtbar." Die Bevölkerung habe enorm gelitten.
Carl Gustaf ging in dem Interview auch auf jene Familien ein, die sich wegen des Infektionsschutzes nicht von sterbenden Verwandten verabschieden konnten. "Ich denke, es ist eine traumatische Erfahrung", sagte der 74-Jährige, der zugab, auch selbst die Gefahr durch das Virus zu spüren. "In letzter Zeit fühlt es sich ziemlich konkret an, es ist näher und näher gekommen." Im November waren sein Sohn, Prinz Carl Philip, und dessen Frau Sofia positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden.
"Wo liegt die Schmerzgrenze?"
Beobachter nahmen die Aussagen des Königs mit Erstaunen auf, da sich das Staatsoberhaupt gewöhnlich aus dem politischen Tagesgeschäft heraushält. Bereits in den vergangenen Tagen waren allerdings im Land die Stimmen lauter geworden, die mit dem schwedischen Sonderweg hart ins Gericht gehen. So kam eine von der Regierung eingesetzte Corona-Kommission am Dienstag zu dem Ergebnis, gerade ältere Menschen seien ungenügend vor COVID-19 geschützt worden. Die Tageszeitung "Dagens Nyheter" fragte: "Wo liegt die Schmerzgrenze der schwedischen Bevölkerung?"
Insgesamt verzeichneten die Behörden bisher fast 7900 Todesfälle, die mit dem Coronavirus in Verbindung gebracht werden. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl sind das wesentlich mehr als in den anderen skandinavischen Staaten - jedoch nicht so viele wie in Großbritannien, Italien, Spanien oder Frankreich. Schweden geht seit Beginn der Pandemie einen weniger restriktiven Weg als die meisten europäischen Länder - worin Gegner dieser Politik eine Gefährdung von Menschenleben sehen. Als Reaktion auf die steigende Zahl der Neuinfektionen verhängte die Regierung Mitte November erstmals verbindliche Einschränkungen, unter anderem für Treffen in der Öffentlichkeit und den Verkauf von Alkohol.
jj/sti (dpa, afp, rtr)