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Kölner Sommer gesucht

Christoph Ricking11. Juli 2013

Wie sieht der Sommer aus in der deutschen Stadt, die für Lebensfreude, Offenherzigkeit und Toleranz steht? Christoph Ricking hat sich in Köln auf die Suche gemacht. Unter erschwerten Bedingungen.

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Rheinwiesen in Köln mit dem Dom im Hintergrund
Köln Rhein SommerBild: picture-alliance/dpa

Kein Sommer weit und breit. Stattdessen immer wieder Regenschauer und starker Wind. Warm ist es auch nicht, das Thermometer kratzt so gerade an der 20-Grad-Marke. Meine Sonnenbrille würde ich jetzt gerne gegen einen Regenschirm eintauschen. Ich stelle mich unter ein Vordach, um nicht nass zu werden. Neben mir schaut ein Mann auf die Wettervorhersage seines Handys. "Und, wird es besser?", frage ich. "Nee, das bleibt heute so.", brummt er, spannt seinen Regenschirm auf und schlurft davon.

Ich bleibe optimistisch. Wenn sich der Sommer nicht von sich aus zeigen will, muss ich ihn eben suchen. Mein Plan: Ich lasse mich durch die Kölner Südstadt treiben. Und weil Köln ohne den Rhein undenkbar wäre, beginne ich meinen Streifzug am Fluss.

Der Rheinauhafen ist Kölns neues schickes Viertel in der Südstadt. Wo früher Waren verladen wurden, wo es laut und dreckig war, ist heute alles durchdesignt, glatt und sauber. Vor mir ragen die Kranhäuser in den grauen Himmel - Hochhäuser aus Glas und Stahl, die Hafenkränen nachempfunden sind und in denen Büros und Wohnungen untergebracht sind. Sie sind neben dem Dom die neuen weithin sichtbaren Wahrzeichen der Kölner Skyline. Um mich herum teure Immobilien, schicke Geschäfte und Kunstgalerien. Durch die Glasscheiben sehe ich viel Design und Möbel. Aber zwischen den Häusern keine Grünflächen oder Bäume. Außerdem pfeift der Wind, es ist "usselisch", wie der Kölner sagen würde: ungemütlich.

der Rheinauhafen der Kölner Südstadt bei Regen
Seit es den Rheinauhafen gibt, können die Kölner die Stadt von Nord nach Süd am Rhein entlang durchquerenBild: C.Ricking/DW

Allem zum Trotz eine Portion Gelassenheit

Bevor ich weiterziehen will, entdecke ich vor einer Goldschmiede einem kleinen Markt: Gelbe Fähnchen flattern im Wind, die Auslagen sind mit Plastikplanen abgedeckt. Unter einem Wald von Regenschirmen bewegen sich dutzende Menschen an den Ständen vorbei. Monika Gimborn-Jochum, eine der Schmuckdesignerinnen, lacht mich freundlich an. "Wenn es regnet, gehen die Leute zwar weg. Aber wenn es aufhört, kommen alle sofort wieder", sagt sie. Kölsche Gelassenheit nenne ich das.

So lange will ich allerdings nicht warten. Also verlasse ich den Rheinauhafen. Die Südstadt ist nicht groß, so dass man alles leicht zu Fuß erlaufen kann. Bei den Kölnern ist dieses Viertel besonders beliebt. Ich verstehe schnell, warum. Unzählige kleine Restaurants, Cafés und Geschäfte säumen die Straße oder haben ganze Bürgersteige in Beschlag genommen. An den offenen Fenstern der Cafés tummeln sich die Gäste, einige hocken unter großen Sonnenschirmen auf dem Bürgersteig. Viele trinken dazu ein "Kölsch", das lokale Bier, und unterhalten sich. Aus einer Bar auf der anderen Straßenseite schallt Jazzmusik herüber. Und plötzlich hört sogar der Regen auf. In mir macht sich Hoffnung breit, dass ich dem Kölner Sommer ganz nah bin.

Straßenszene mit Bars in der Kölner Südstadt
Beliebtes Ausgehviertel: Die Kölner Südstadt mit vielen Bars und CafésBild: DW / C.Ricking

Ich gehe in Richtung Friedenspark, der etwas versteckt in zweiter Reihe zum Rheinufer liegt. Mitten im Park steht ein altes Fort, ein Teil des früheren Festungsrings der Stadt. Die Wiese ist heute nass. Ein paar Kinder spielen dennoch ausgelassen in den großen Pfützen. Auf dem Sandweg spielt eine Gruppe Erwachsener Boccia. Bei dem italienischen Spiel geht es darum, schwere, apfelsinengroße Kugeln möglichst nah an eine kleine, tischtennisballgroße Kugel zu werfen. Wer gerade nicht dran ist, sitzt wie Berta Nissen auf einer Mauer und trinkt Kölsch. "Man kann herkommen, wann man will. Feste Gruppen gibt es nicht. Es spielen die, die gerade da sind." Das Wetter scheint dabei zweitrangig. Ich würde ja mitspielen, aber ich will weiter.

Schönheit auf den zweiten Blick

Köln ist keine schöne Stadt im eigentlichen Sinne. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie stark zerstört und in den 50er Jahren schnell und zweckmäßig wieder aufgebaut. Die Südstadt gefällt mir allerdings sehr gut. Nicht nur wegen der Herzlichkeit der Menschen. Hier sind auch viele Häuser aus der Gründerzeit stehen geblieben. Alte Bäume säumen die Straßen. Und auf einer Verkehrsinsel mitten auf der Kreuzung hat jemand Bananenstauden gepflanzt.

Kneipe von außen in der Kölner Südstadt
Bäume und Bepflanzungen entlang der Straße sorgen für eine warme AtmosphäreBild: C.Ricking/DW

Besonders hübsch sind die kleinen Plätze, an denen mehrere Straßen zusammenlaufen. So wie das Eierplätzchen, das eigentlich Mainzer Straße heißt. Die Kölner tauften es irgendwann um, wegen der ovalen Form.

"Wenn es nicht mehr regnet, spielen wir", ruft plötzlich eine Frau mit langen, schwarzen Haaren über den Platz. Skeptisch schaut sie in den wolkenverhangenen Himmel. Hinter ihr packt jemand einen Kontrabass aus, ein anderer baut Mikrofonständer auf und verlegt Kabel. Die Eierplätzchenbänd gibt hier mehrmals im Sommer Konzerte: einfach so, kostenlos. Obwohl die Band einen deutschen Namen trägt, spielt sie kubanische Musik. "Mein Vater kommt von dort", sagt Sängerin Betsy de Torres. "Er hat immer erzählt, dass die Menschen in Kuba oft ganz spontan auf die Straße gehen und Musik machen. Da haben wir gedacht, das machen wir auch." Inzwischen seit fast 20 Jahren. Den Namen gab ihnen das Publikum. "Die Kölner sind ein bisschen wie die Kubaner", sagt Betsy de Torres. "Zumindest genauso lebensfroh."

Karibisches Flair

Rund um den Platz hat sich eine kleine Menschentraube gebildet. Viele sind aus dem Viertel, einige auch aus anderen Stadtteilen. "Das ist das Schöne hier in Köln", sagt eine Frau. "Dass Nachbarschaft auch in der Stadt noch gelebt wird." Die Band hat zu spielen begonnen und das Eierplätzchen ist voller Menschen. Einige sitzen etwas abseits, trinken ein Kölsch, hören zu. Andere tanzen Salsa, zu zweit oder einfach nur für sich. Kinder laufen zwischen den Tänzern hindurch. An den Häusern rund um den Platz haben die Menschen ihre Fenster geöffnet und beugen sich heraus, auch die Gäste in den umliegenden Cafés lauschen der Musik.

Die Eierplätzchenband in der Kölner Südstadt spielt kubanische Musik
Kubanische Klänge von der EierplätzchenbandBild: C.Ricking/DW

Plötzlich reißt für einen kurzen Moment sogar der Himmel auf und die Sonne kommt durch. Die Menschen auf dem Platz jubeln. Karibisches Flair mitten in Deutschland, denke ich und freue mich. Den Sommer in Köln habe ich am Ende doch gefunden. Und der hat weniger mit dem Wetter zu tun, als ich anfangs dachte. Den Kölnern macht in Sachen sommerlicher Lebensfreude so schnell eben keiner was vor.