"Deutsche können auch verrückt sein"
23. Februar 2017Donald Trump ist weit und breit nicht zu sehen. Dafür aber jede Menge Star-Wars-Helden, Dinosaurier, FBI-Agenten, Marienkäfer und Cowboys. "Wow", ruft Shamsiyya Hamza, während sie mit dem Handy filmend durch den Kölner Hauptbahnhof läuft. "Es ist so farbenfroh, es gibt so viele unterschiedliche Kostüme! Und alle laufen in die gleiche Richtung“.
Die meisten Jecken sind unterwegs zum Alter Markt, wo in Köln traditionell der Straßenkarneval an Weiberfastnacht eröffnet wird. Najma Khamis aus Sansibar ist von dem Trubel weniger beeindruckt als ihre Kollegin. Kein Wunder: Sie hat schon dreimal den brasilianischen Karneval erlebt. Als man ihr erzählt habe, wie wild der Kölner Karneval sei, habe sie geantwortet: "Das ist bestimmt nichts gegen Rio."
Shamsiyya Hamza ist neugierig auf die karnevalistischen Umgangsformen, insbesondere zwischen weiblichen und männlichen Jecken. "Ich habe gehört, dass sich beim Kölner Karneval viele Menschen küssen, die sich gar nicht kennen. Darauf bin ich gespannt", sagt sie. "Die Leute sind auf jeden Fall jetzt schon sehr gut drauf." Nur, dass so viele Männer unterwegs sind, überrascht sie. "Ich dachte, Weiberfastnacht sei der Tag der Frauen."
Auf der Domplatte weht wie fast immer zu dieser Jahreszeit ein erbarmungslos eisiger Wind, viele Karnevalisten müssen ihre Hüte, Heiligenscheine oder Federn festhalten. Der Stimmung scheint das keinen Abbruch zu tun. Je näher der bunte Pilgerstrom der Altstadt kommt, desto lauter und voller wird es. Und plötzlich ist man da: Auf der abgezäunten Bühne am Alter Markt wird geschunkelt, aus riesigen Boxen tönen die Klassiker der "fünften Jahreszeit".
Najma Khamis will näher ans Geschehen, denn gleich startet der Countdown. Drei, zwei, eins: "Alaaf!" Pünktlich um 11.11 Uhr füllt sich das Kopfsteinpflaster vor der Bühne mit Elfen, Clowns und Seeleuten.
Nach wenigen Minuten hat sich eine Gruppe Frauen in orangefarbenen Kostümen bei Shamsiyya Hamza untergehakt. Ihre Kollegin Zulaiha Abubakar hat plötzlich einen Becher Cola in der Hand und zieht die Aufmerksamkeit einer Gruppe von Frauen und Männern mit blauen Perücken auf sich. "Die Deutschen sind so nett", lacht die Nigerianerin. "Man wird hier so freundlich willkommen geheißen."
Dass Karneval nicht zu dem Bild passt, das viele vielleicht von den Deutschen haben, halten die vier jungen Journalisten für ein Klischee. "Mich überrascht das alles nicht", sagt Jacob Safari Bomani aus Kenia. "Ich wusste, dass die Deutschen auch verrückt sein können." So sieht es auch Najma Khamis. "Ich habe das Gefühl, dass Karneval einfach dem Stressabbau dient. Die Deutschen gelten ja als streng, und an so einem Tag können sie einfach loslassen."
Auch die Menge an Alkohol, die an Weiberfastnacht schon früh am Tag konsumiert wird, ist für Khamis nicht erschreckend. "Bier und die Deutschen gehören, glaube ich, einfach zusammen. Deshalb habt ihr ja auch das Oktoberfest", sagt die Sansibarin.
Shamsiyya Hamza hat schon ein Einhorn, einen Tiger, einen Rocker und eine Frau mit russischen Trachten vor ihr Mikrofon bekommen. Als nächstes wollen die Afrikaner zum Neumarkt. Auch auf die Karnevalshöhepunkte der nächsten Tage freuen sich die Reporter, besonders auf Rosenmontag. Für Shamsiyya Hamza ist nach ihrer Weiberfastnacht-Premiere klar: "Ich würde auf jeden Fall noch mal hierher kommen."