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Köckritz: "Du lügst"

Philipp Bilsky19. Januar 2015

Zuerst wurde ihre chinesische Mitarbeiterin Zhang Miao verhaftet. Dann wurde auch sie massiv unter Druck gesetzt. Am Ende entschied sich die ZEIT-Korrespondentin Angela Köckritz, China fluchtartig zu verlassen.

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Angela Köckritz, China-Korrespondentin der ZEIT (Foto:Stefanie Schweiger)
Bild: Stefanie Schweiger

Deutsche Welle: Die Verhaftung Ihrer Mitarbeiterin Zhang Miao liegt mittlerweile mehr als drei Monate zurück. Nun haben Sie sich dazu entschieden, den Vorfall ausführlich zu dokumentieren. Warum erst jetzt?

Angela Köckritz: Wir haben eigentlich genau das gemacht, was die Chinesen immer fordern. Wir haben Zeit gegeben, damit hinter den Kulissen verhandelt werden kann. Aber das hat alles zu nichts geführt. Deswegen haben wir nun beschlossen, den Vorgang öffentlich zu machen.

Ihre Mitarbeiterin Zhang Miao ist nach ihrer Rückkehr aus Hongkong verhaftet worden. Dort hatte sie gemeinsam mit Ihnen über die demokratische Protestbewegung berichtet. Was wird ihr konkret vorgeworfen?

Die Erregung öffentlichen Ärgernisses. Mir wurde zuerst gesagt, sie sei in eine Dorfstreiterei verwickelt gewesen. Sie habe Polizisten beschimpft und geschubst. Das klang von Anfang an wenig glaubwürdig. Was ihr genau vorgeworfen wird, wissen wir eigentlich immer noch nicht. Wir haben nie Beweise gesehen. Das Problem bei diesem Paragrafen zur „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ ist es, dass man ihn oft gegen politisch Andersdenkende benutzt. Er wird extrem weit ausgelegt. Er ist ein bisschen ein "Totschlag-Paragraph."

Wie geht es Zhang Miao jetzt? Wann haben Sie zuletzt Kontakt mit ihr gehabt?

Ihr Anwalt hat sie zuletzt am 25. Dezember gesehen. Die letzte Information ist, dass es ihr den Umständen entsprechend okay geht. Sie scheint aber physisch und psychisch zu leiden in dem Gefängnis. Was das genau bedeutet, kann ich leider nicht mit Sicherheit sagen. Wir haben keine verlässlichen Informationen, wie es jetzt weiter geht.

Auch Sie sind mehrfach von der chinesischen Staatssicherheit verhört worden. Was ist genau vorgefallen?

Es gab insgesamt vier Verhöre. Dann habe ich das Land verlassen. Sonst hätte es wahrscheinlich noch mehr gegeben. Die Verhöre haben immer ein paar Stunden gedauert. Das längste viereinhalb Stunden. Jedes Mal waren neue Ermittler dort, sodass man immer wieder neuen Leuten ausgesetzt war. Am Anfang waren sie noch nicht sehr erfahren. Später aber waren es extrem erfahrene Ermittler. Sie haben viele Tricks verwendet und versucht, einen psychologisch zu verunsichern, damit man nervös wird, Angst bekommt und Fehler macht. Im Verlauf der Verhöre wurde mir damit gedroht, dass ich mein Journalistenvisum für das kommende Jahr nicht bekomme. Mir wurde mit nicht weiter spezifizierten negativen Konsequenzen gedroht. Später wurde dann angedeutet, ich sei eine Spionin und hätte die Demokratie-Proteste in Hongkong organisiert.

Proteste bei Occupy Central in Hongkong (Photo: picture-alliance/dpa)
"Im Verlauf der Verhöre...wurde angedeutet, ich sei eine Spionin und hätte die Demokratie-Proteste in Hongkong organisiert."Bild: picture-alliance/dpa

Gibt es Vorfälle, an die Sie sich besonders stark erinnern?

Es gibt zwei Dinge, die mir nicht aus dem Gedächtnis gehen. Beim dritten Verhör gab es einen Ermittler, der Reitmetaphern liebte. Er erklärte mir, dass das Wichtigste bei Jockeys und Reitpferden sei, dass der Jockey innerhalb kürzester Zeit das Vertrauen des Pferdes gewinnt. Dann hat er mich gefragt, ob ich ihm vertraue. Ich habe gesagt: Nehmen sie es nicht persönlich, aber die Antwort ist „nein“.

Dann sagte er, dass meine Mitarbeiterin ausgesagt habe, dass ich die demokratische Protestbewegung in Hongkong organisiert habe. Ich habe geantwortet, dass ich das nicht glaube. Für mich gebe es nur drei Möglichkeiten: Dass sie zu dieser Aussage gezwungen worden sei, dass sie lüge, oder dass sie diese Aussage nie gemacht habe. Dann sagte der Ermittler, es gebe auch noch eine vierte Möglichkeit. Und dann ging er so richtig auf mich los und schrie: "Du lügst, Du lügst, Du lügst."

Ein zweiter Moment, den ich als sehr heftig empfunden habe, war, als ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft zu mir sagte, ich solle mir besser einen Anwalt nehmen. Denn wenn ich verhaftet würde, könne die Botschaft nichts machen, außer zu protestieren. Da dachte ich, dass es vielleicht besser ist, wenn ich bald ausreise.

Dass die Staatssicherheit ausländische Korrespondenten zu Gesprächen bittet, ist ja bekannt. Aber die Art und Weise, wie Sie unter Druck gesetzt wurden, scheint eine neue Qualität zu haben.

Für mich war das auch alles sehr neu. Ich habe deswegen bei erfahrenen Korrespondenten herumgefragt, unter anderem auch beim Verein der Auslandskorrespondenten in Peking. Was es gegeben hat, war, dass Journalisten vorgeladen wurden - also etwa nach Ausbruch des arabischen Frühlings - und ihnen gesagt wurde, dass ihr Visum nicht verlängert wird. Die meisten von uns Auslandskorrespondenten hatten auch schon Probleme mit lokalen Polizeibehörden bei konkreten Recherchen. Aber einen Vorfall in dem Ausmaß wie in diesem hat es noch nicht gegeben. Keiner konnte sich daran erinnern, dass es so etwas schon mal gab.

Ihre Mitarbeiterin ist weiterhin in Haft. Wie gehen Sie persönlich damit um?

Ich habe am Anfang, als das alles passiert ist, versucht, alle Emotionen wegzusperren. Es gab nur einen Gedanken, dass ich sie dort irgendwie herausbekommen muss. Dieser Gedanke hat auch total mein Gehirn und mein Gefühlsleben beherrscht. Als ich dann den Artikel geschrieben habe, war das sehr schmerzhaft, weil sehr viele Emotionen hochgekommen sind in mir. Das ist ja oft so beim Schreiben. Das war wahrscheinlich der Artikel, der mir bis heute am schwersten gefallen ist. Einfach auch deswegen, weil ich auch sehr gut mit Zhang Miao befreundet bin.

Sie sind mittlerweile wieder in Deutschland. Wie geht es beruflich weiter bei Ihnen?

Das weiß ich noch nicht genau. Ich schreibe jetzt erstmal ein Buch fertig. Und dann schauen wir mal.

Könnten Sie sich vorstellen, später wieder in China zu arbeiten?

Ja klar, ich bin wie Deng Xiaoping. Ich komme wieder.

Angela Köckritz arbeitete vier Jahre lang als China-Korrespondentin der Zeit.