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Kämpfen die USA an der falschen Front?

Klaus Dahmann 21. August 2002

Der Streit um die Immunität von US-Bürgern vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag geht weiter. George W. Bush will verhindern, dass Amerikaner ausgeliefert werden können. Klaus Dahmann kommentiert.

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Es ist bezeichnend, mit welch massivem Druck die Bush-Administration ihre Interessen in Sachen "Internationaler Strafgerichtshof" durchzusetzen sucht. Zuerst der Streit im UN-Sicherheitsrat um die Verlängerung des Bosnien-Mandats - und nun "Plan B": bilaterale Abkommen, die US-Bürger vor der Auslieferung nach Den Haag schützen sollen.

Diese Strategie - auch wenn sie offenbar mit der Drohung verbunden war, US-Militärhilfe für nicht-willige Staaten zu kürzen - droht bereits zu scheitern: Bisher haben nur Israel und Rumänien auf die Anfrage aus Washington positiv reagiert. Zahlreiche andere Staaten haben den Amerikanern eine definitive Absage erteilt.

Die Europäische Union will sich erst auf eine gemeinsame Linie einigen. In Brüssel heißt die Devise: Zeit gewinnen - für die EU-Staaten wie für die Beitrittskandidaten. Auch wenn es wieder böse Anrufe aus Washington gibt.

Die Gelassenheit der Europäer hat ihren Grund: Die größte Angst Washingtons - dass nämlich US-Bürger im Kampf gegen den Terrorismus, insbesondere gegen die so genannte "Achse des Bösen" vom Internationalen Strafgerichtshof belangt werden könnten – diese Angst ist derzeit unbegründet.

Denn weder die USA noch die Länder der "Achse des Bösen" - Irak, Iran und Nordkorea - haben das Gerichtsstatut ratifiziert. Deshalb können tatsächliche oder vermeintliche Kriegsverbrechen, die US-Bürger hier begehen, auch nicht in Den Haag zur Anklage gebracht werden. Es sei denn, der UN-Sicherheitsrat würde das beschließen - doch das könnten die USA durch ihr Veto leicht verhindern.

Und dass Staaten wie der Irak in absehbarer Zeit doch noch das Statut des Strafgerichtshofs ratifizieren, ist utopisch: Dann würde sich nämlich ein Diktator wie Saddam Hussein plötzlich selbst vor dem Gericht in Den Haag wiederfinden. So lange aber weder die USA noch der Irak das Statut ratifizieren, gilt: Die USA können, wenn sie dies denn beabsichtigen, den Irak in Schutt und Asche legen, ohne Rücksicht auf das Völkerrecht - dem Internationalen Strafgerichtshof sind die Hände gebunden, weil er de facto laut Statut nicht zuständig ist.

Manipulation ausgeschlossen: Kein US-Soldat müsste sich für seine Taten in Den Haag rechtfertigen. Wohlgemerkt - nicht in Den Haag. In Deutschland hingegen könnte es in diesem Fall sehr wohl zur Anklage kommen, auf Grundlage des so genannten Völkerstrafgesetzbuches, das zeitgleich mit der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs in Kraft getreten ist.

Dahinter stand in erster Linie die Absicht, mutmaßliche deutsche Kriegsverbrecher in Deutschland vor Gericht stellen zu können und nicht nach Den Haag ausliefern zu müssen. Doch das Völkerstrafgesetzbuch geht in einem wichtigen Punkt über das Statut des Haager Strafgerichtshofs hinaus: Es gibt keine Beschränkung der Zuständigkeit, was Tatort und Staatsangehörigkeit des Angeklagten angeht. Sprich: Wenn eine Anklage gegen einen US-Amerikaner eingereicht wird, der im Irak Kriegsverbrechen begangen haben soll, kann ein deutsches Gericht diesen Fall verhandeln - während der Internationale Strafgerichtshof sich für nicht zuständig erklären müsste.

Ob es tatsächlich zur Anklage kommt, dürfte allerdings auch von politischen Erwägungen abhängen. Schließlich gibt es für die deutsche Justiz diverse "Ausreden", um einen derartigen Fall dennoch abzuweisen: beispielsweise, dass sich der mutmaßliche Täter nicht in Deutschland aufhält. Fest steht allerdings: Die deutsche Justiz ist für im Irak operierende US-Amerikaner "gefährlicher" als der Internationale Strafgerichtshof. Und das dürfte wohl noch zu Komplikationen zwischen Washington und Berlin führen.