Kälte vernichtet Ozon
30. Dezember 2006Der Winter ist in Deutschland und Europa in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer kürzer und milder geworden. Doch es gibt Gefilde, in denen sich die vierte Jahreszeit ganz anders benimmt. Und zwar im hohen Norden und in großer Höhe. Dort, wo sich die Ozonschicht um die Erde spannt: im Bereich der Stratosphäre.
Dass das bedenklich ist, weiß Markus Rex, Physiker vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Denn es sei eine deutliche Veränderung des Klimas gerade bei den kalten arktischen Wintern in der Stratosphäre zu beobachten. Wenn es heutzutage kalt werde, dann gleich sehr viel kälter als es das noch in den 1960er oder 70er-Jahre jemals geworden sei, erklärt Rex. Er ist besorgt über diesen Trend. Denn als Ozonforscher weiß er: Klirrende Kälte ist Gift für die Ozonschicht.
Kritisch wird es bei Temperaturen um 80 Grad Celsius unter Null. Am Südpol, über der Antarktis, ist ein solcher Superfrost im Winter die Regel. Das begünstigt die Entstehung des Ozonlochs. In der Arktis dagegen waren minus 80 Grad früher die Ausnahme. Doch inzwischen stellt sich eine solche Eiseskälte auch im hohen Norden immer häufiger ein.
Trend zu Ozonverlusten
Rex und 30 andere Forscher haben jetzt ihre gesammelten Meßdaten aus vier Jahrzehnten Arktis-Beobachtung ausgewertet. Danach sei 2004/2005 in 40 Jahren der kälteste Winter in der Stratosphäre gewesen. Und deshalb sei es in der Folge auch gerade ein Rekordwinter in Sachen Ozonabbau gewesen. "Das setzt einen Trend zu immer größer werdenden Ozonverlusten fort, den wir seit den 90er-Jahren beobachten: Dass wir in diesen kalten Wintern größere Ozonverluste bekommen." Ein Drittel der Ozonschicht werde in so einem schweren Ozonverlust-Winter wie 2004/2005 abgebaut, auch in der Arktis.
Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW) sind die eigentlichen Ozon-Killer. Doch richtig scharf werden die FCKW erst durch chemische Reaktionen in der Stratosphäre. Und dafür ist die klirrende Kälte nötig. Über der Arktis bilden sich dann so genannte polare Stratosphärenwolken. An ihrer Oberfläche laufen die entscheidenden Prozesse ab. Diese Wolken hätten noch in den 1960er und frühen 70er-Jahren eine Fläche bedeckt, die etwas größer gewesen sei als Grönland, sagt Rex. Heutzutage sei die gesamte Arktis mit diesen Wolken gefüllt. Deswegen werde der Ozonverlust immer größer.
Lage in der Antarktis kritischer
So kritisch wie in der Antarktis ist die Lage in der Arktis allerdings nicht. Am Südpol klafft wirklich ein Loch. Dort verschwindet das Ozon im Frühjahr in manchen Höhen vollständig. Im hohen Norden dagegen dünnt die UV-Schutzschicht lediglich aus. Doch auch das führt bereits zu einer erhöhten ultravioletten Einstrahlung am Erdboden, bisweilen sogar über bewohntem Gebiet. Denn manchmal wandert die ozonarme Polarluft bis nach Mitteleuropa.
Der Atmosphärenchemiker Ross Salawitch vom California Institute of Technology in den USA, auch er ein Ozonforscher, glaubt aber nicht, dass man sich akute Sorgen machen muss um seine Gesundheit. Aber: Strahleneffekte addierten sich, sagt Salawitch. "Und wenn ozonarme Luft über bewohntem Gebiet liegt, setzt das die Bevölkerung erhöhter UV-Belastung aus."
Doch warum werden die Winter in der arktischen Stratosphäre immer strenger? Auch wenn es erst einmal paradox klingt: Hinter der Abkühlung steckt die globale Erwärmung. Die spielt sich nicht in der Höhe ab, sondern im Parterre der Erdatmosphäre - in unserer Wetterschicht. Denn die Treibhausgase wirkten wie eine Decke, erklärt er: "Sie halten Wärme an der Oberfläche zurück, und diese Strahlung geht der darüber liegenden Atmosphäre verloren. Sie kühlt also aus." Die neue Studie zeige den Zusammenhang zwischen Erderwärmung und Ozonzerstörung auf und dass die Lage sogar noch schlimmer werden könnte.
Weitere Rekordverluste befürchtet
Die Forscher fürchten nun weitere Rekord-Ozonverluste über der Arktis. Und das noch bis zum Jahr 2020 oder sogar 2030. Die Stratosphäre könnte noch stärker auskühlen. Und auch von den schädlichen FCKW wird es noch eine ganze Weile in der Außenluft wimmeln, bevor das weltweite Verbot dieser langlebigen Chemikalien richtig greift und ihre Konzentration in der Atmosphäre tatsächlich spürbar abnimmt.
Auch in diesem Winter ahnt Markus Rex wieder mal nichts Gutes für die Ozonschicht im Norden. Momentan ginge es sehr kalt los, der eigentliche Ozonabbau finde dann aber erst hauptsächlich im Februar und Anfang März statt. Im Moment könne man noch nicht genau vorhersagen, wie es sich weiter entwickeln werde. Aber: "Es könnte dazu kommen, dass wir auch in diesem Jahr wieder deutliche Ozonverluste in der Arktis messen."