Kurt Masur begeistert mit Beethoven
13. Dezember 2012
Kurt Masur war von 1972 bis 1998 Kapellmeister des Leipziger Gewandhauses. Damit wird er nach wie vor identifiziert, obwohl er danach zum Beispiel auch das New York Philharmonic Orchestra oder das Orchestre National de France in Paris dirigierte. Neben dem Musiker schätzen die Deutschen ihn aber auch als Person der deutschen Zeitgeschichte, die er unzweifelhaft ist. So trug er mit seiner Prominenz und Integrität dazu bei, dass die letzte der großen Leipziger Montagsdemonstrationen im Oktober 1989 gewaltfrei verlief, bevor dann am 9. November die Mauer fiel und Masur wenig später Ehrenbürger der Stadt Leipzig wurde.
Masur und sein Beethoven
Mit 85 Jahren und gesundheitlich durch eine Parkinson-Erkrankung gezeichnet, müsste sich ein Kurt Masur eigentlich nichts mehr beweisen. Und dennoch gab er - nach der Premiere in Dresden - vom 8. bis zum 11. Dezember in der Philharmonie im Münchner Gasteig ein Gastspiel mit den Dresdner Philharmonikern. Acht von neun Sinfonien führte Masur an vier Abenden zyklisch auf. Die 2. Sinfonie entfiel, weil es den Maestro am ersten Abend wohl doch überfordert hätte. Beethoven ist für Masur eine lebenslange Beschäftigung. Die Aufführung aller Sinfonien in Abfolge liegt ihm dabei sehr am Herzen, weil es ihm darum geht, dass die Menschen Beethoven nicht nur genießen, sondern seine Musik verstehen sollen. "Musik begreifen", so Masur, "heißt auch Verstehen, wozu ein Komponist fähig ist, in jeder Hinsicht." Die Person Beethoven verstehen, bedeutet zugleich eine ganze Epoche des Übergangs von der Klassik hinein in die Romantik zu begreifen. Er wird zum Sinnbild des freischaffenden Komponisten, der die Freiheit auch als Thema seiner Musik versteht, vor allem in seiner 9. Sinfonie, wo die "Ode an die Freude" auch "Ode an die Freiheit" heißen könnte.
Masur und seine Liebe zum Miteinander
Als Dirigent und als Mensch bekennt Masur: "Ich hasse, Macht auszuüben." Ausdruck dieser Haltung ist auch sein Umgang mit dem Orchester. Und er ist sich nicht zu schade, die Aufstellung des Orchesters selbst zu überwachen und im Münchner Gasteig die Kontrabässe ganz nach hinten zu stellen und davor in einer Reihe die Celli zu positionieren. Aber auch sein bewusster Verzicht auf den Taktstock ist Ausdruck dafür, das Miteinander zu suchen. Das Miteinander-Atmen ist entscheidend. Auch weil ihn langsam die Kräfte verlassen, ist sein Dirigat sparsam. Trotzdem ist er stets Herr der Lage und man merkt die Ernsthaftigkeit und die Genauigkeit seiner Interpretation. Ein abgeklärter Beethoven war hier zu hören - aber kein distanzierter. Differenziert, feinfühlig, zugleich geradezu zerbrechlich, so empfindet das Publikum Musurs Dirigat. Er sucht noch beim Applaus die Nähe zu seinem Orchester. Und die Münchner erwiesen Masur an allen Abenden Standing Ovations. Man konnte spüren, dass viele bewegt waren, Masur noch einmal gehört zu haben. Das ging wohl auch dem ehemaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel oder der Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter so, die im Publikum waren.
Masur und sein Orchester
Dass Kurt Masur mit der Dresdner Philharmonie nach München kam, überrascht nur diejenigen, die nicht wissen wie eng Masur mit ihr verbunden ist. Für Masur bedeutete dies, musikalisch heimzukehren. "Die Dresdner Philharmoniker", so Masur, "waren immer eine Heimat für mich. Sie haben mir eigentlich eine Basis gegeben, die mir Selbstvertrauen und alles das geschenkt haben, was später kam." Dieses Orchester", so Masur, pflege vor allem einen spezifisch Dresdner Musizierstil, der für ihn selbst zu Beginnseiner Karriere prägend wurde: eine "kultivierte Art" zu musizieren. "Es ist einfach ein himmlisches Orchester", lobt Kurt Masur den Klangkörper aus der sächsischen Landeshauptstadt.
Der Beethoven-Sinfonienzyklus mit Kurt Masur und den Dresdner Philharmonikern wurde von der DW vom 8.- 1. Dezember 2012 live in der Münchner Philharmonie am Gasteig aufgenommen und wird auf diesen Seiten als Podcastangebot erscheinen.