Kurssturz verstärkt Sorgen um Chinas Wachstum
25. August 2015Auch am Dienstag haben sich die Kursstürze an Chinas Börsen fortgesetzt. Nach dem Einbruch von über acht Prozent am Montag an der Shanghaier Börse gaben die Kurse am Dienstag an den wichtigsten Handelsplätzen Shanghai und Shenzhen erneut um über sieben Prozent nach. Es handelt sich um die größten Tagesverluste chinesischer Aktien seit der Weltfinanzkrise 2007. Auch die Entscheidung der chinesischen Regierung vom Wochenende, den Pensionsfonds des Landes erstmals den Einstieg in den Aktienmarkt zu erlauben, hatte den "schwarzen Montag" nicht verhindern können.
Es war nur eine Maßnahme unter mehreren, mit denen die chinesische Führung in den vergangenen Wochen versucht hatte, die zum großen Teil kreditfinanzierten Aktienmärkte unter Kontrolle zu bringen. Dazu gehörten staatliche Aktienaufkäufe, das Verbot von Aktienverkäufen für Besitzer größerer Pakete und die Versorgung der Banken mit zusätzlicher Liquidität zur Belebung der Wirtschaft.
"Entscheidend ist das Vertrauen der chinesischen Anleger"
Bislang haben die Maßnahmen offenbar ihr Ziel verfehlt, das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen und Befürchtungen über eine "harte Landung" der sich abschwächenden chinesischen Volkswirtschaft zu zerstreuen. Stefan Große, Analyst der Nord LB, sieht genau hierin die größte Gefahr, und nicht etwa darin, dass die seit Jahresanfang verzeichneten Börsengewinne der Anleger jetzt "ausradiert" wurden, wie er gegenüber der DW erläutert: "Schlimm wäre es, wenn das Vertrauen vollständig zurückgeht. Es hätte starke Auswirkungen auf die chinesische Volkswirtschaft und die Weltwirtschaft, wenn die chinesische Konsumenten nicht mehr konsumieren, denn die Exporte sind bereits zurückgegangen. Dann wäre das Wachstumsziel nicht zu halten."
Seit vergangenem November hat die chinesische Volksbank vier Mal die Leitzinsen und drei Mal den Mindestreservesatz gesenkt - beides Maßnahmen, um mehr Liquidität für die Realwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Allerdings habe die chinesische Volksbank immer noch relativ viel Spielraum, um mit einer - eigentlich für den Montag erwarteten - neuerlichen Mindestreservesenkung sowie mit Leitzinssenkungen einzugreifen, sagt der Analyst der NordLB.
Beruhigung in Asien
An den asiatischen Börsen haben sich die Verhältnisse - außer in China - nach anfänglichen signifikanten Verlusten am Montag, an dem sie im Durchschnitt auf ein Drei-Jahres-Tief fielen, wieder stabilisiert. Der japanische Nikkei-Index habe am Dienstag um vier Prozent nachgegeben, aber im "Rest Asiens" habe sich die Lage insgesamt beruhigt, meldet Reuters. Manche Ökonomen aus den Schwellenländern sprechen sich sogar gegen staatliche Maßnahmen zur Stützung von Aktienmärkten aus, wie sie von Peking erwartet werden.
So erklärte der indische Notenbankchef und frühere IWF-Chefvolkswirt Raghuram Rajan auf einer Konferenz in Mumbai, es sei nicht die Rolle von Zentralbanken, "auf unangemessene Weise die Stimmung (von Investoren) anzuheizen und den Aktienmärkten Spritzen zur Belebung zu verabreichen. Wir müssen nicht weit jenseits unserer Grenzen schauen, um zu sehen, wohin solcher Aktionismus führt", sagte Rajan unter klarer Anspielung auf China. Nach einem Höhenflug würden solche Märkte zusammenbrechen, sobald sie mit der Realität zusammentreffen", zitiert die Agentur Bloomberg den indischen Zentralbanker.
Wiederholung der Asienkrise von 1997 unwahrscheinlich
Aber was ist die Realität? Laut der Londoner Beratungsfirma Capital Economics "sagt der Zusammenbruch des chinesischen Aktienblase so gut wie nichts über den Zustand der chinesischen Volkswirtschaft aus." Dennoch sei klar, dass globale Investoren angesichts der chinesischen Börsencrashs und abgeschwächter Wachstumszahlen aus China Risiken scheuten und Devisen und Wertpapiere aus Schwellenländern verkauften, erläutert Rajiv Biswas von der Beraterfirma IHS gegenüber der DW.
Steht damit eine Wiederholung der Asien-Krise von 1997 bevor? Das sei trotz der Anzeichen von Kapitalflucht aus Schwellenländern nicht wahrscheinlich, weil die Ausgangslage heute eine andere sei, sagt etwa Gareth Leather von Capital Economics. Viele Länder der Region verfügten über Zahlungsbilanzüberschüsse, freie Wechselkurse und beträchtliche Devisenreserven bei geringeren Verbindlichkeiten in ausländischer Währung.
Wachstumssignale dringend erwartet
Allerdings bedeuten auch die besten makroökonomischen Reformen keine Abschirmung gegen die Auswirkungen der chinesischen Wachstumsschwäche. Denn die ist offenbar größer als Peking zugeben will: "Es gibt den wachsenden Verdacht, dass die chinesischen Statistiken das wahre Ausmaß der Abschwächung verschleiern. Indikatoren wie PKW-Verkäufe, Stromverbrauch und Bautätigkeit zeigen alle stark nach unten", zitiert AP den Analysten David Kelly von JP Morgan Funds. Geringere Industrieproduktion und Bautätigkeit in China bedeuten wiederum geringere Einfuhren von Rohstoffen und Komponenten aus Ländern wie Australien, Indonesien, Taiwan und Südkorea. 20 Prozent des gesamten japanischen Exports geht nach China, in Deutschland sind es nur 6,5 Prozent, trotzdem machen sich auch hier Sorgen wegen der geringeren chinesischen Nachfrage breit.
Chinas Börsencrash fällt in eine Phase der chinesischen Politik, in der die Parteiführung die Wirtschaft umzusteuern versucht von export- und investitionsgetriebenem zu konsumgetriebenen Wachstum. Und solange hierbei messbare Erfolge und Aufwärtstrends ausbleiben, wird der chinesische Aktienmarkt laut Biswas weiterhin unter Druck bleiben - und das könnte weitere "schwarze Montage" bedeuten.