Kurden stellen Wahltermin infrage
9. September 2015Nach den gewalttätigen Protesten türkischer Nationalisten gegen Kurden in der Türkei hat die pro-kurdische Partei HDP der Staatsführung in Ankara Kriegstreiberei vorgeworfen. Präsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hätten "eine Entscheidung für den Bürgerkrieg gefällt", sagte HDP-Chef Selahattin Demirtas vor Journalisten im südostanatolischen Diyarbakir.
In der Nacht hatten Nationalisten in mehreren Städten der Türkei gegen die jüngsten Gewaltaktionen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) demonstriert und dabei kurdische Geschäfte und HDP-Vertretungen angegriffen. Die Partei-Zentrale in Ankara ging in Flammen auf. Allein in Istanbul wurden laut Behörden 93 Personen festgenommen.
HDP will rechtliche Schritte einleiten
Demirtas warf den Behörden vor, die Einrichtungen seiner Partei nicht gegen den Mob geschützt zu haben. An die Gewalttäter gewandt fügte er hinzu, seine Partei verfüge über genügend Aufnahmen von Überwachungskameras und andere Beweismittel und werde rechtlich gegen sie vorgehen.
Im Südosten der Türkei war es in den vergangenen Tagen und Wochen wiederholt zu Zusammenstößen zwischen Kämpfern der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK und Sicherheitskräften gekommen, nachdem ein Waffenstillstand im Juli gescheitert war. Die türkische Luftwaffe bombardiert auch PKK-Ziele im Nordirak.
Erdogan will absolute Mehrheit zurückerobern
Wegen der Unruhen stellte die HDP die für November geplante Parlamentswahl infrage. "Wegen der Sicherheitslage in der Region wird es unmöglich, Wahlen abzuhalten", führte Demirtas aus. Seine Partei sei zwar nicht gegen die Wahl. Zunächst müsse sich aber die Lage verbessern.
Die regierende AKP von Präsident Erdogan hofft, mit den Neuwahlen ihre absolute Mehrheit im Parlament wiederzuerlangen. Der Wahlerfolg der HDP hatte im Juni dazu geführt, dass sie auf die Suche nach einem Koalitionspartner gehen musste. Die Gespräche scheiterten.
Derweil zeigte sich der Europarat tief besorgt über die Eskalation: "Ich verurteile die tödlichen Attacken auf türkische Sicherheitskräfte mit Nachdruck", erklärte Generalsekretär Thorbjörn Jagland in Straßburg. Zugleich sei er alarmiert über "die Angriffe auf politische Parteien und Medien, die die Demokratie zu destabilisieren drohen".
uh/SC (afp,dpa,rtr)