Kurden fürchten Massaker in Kobane
30. September 2014"Die Kämpfer können sich sehen", sagte der Leiter der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman. Zwischen den Stellungen der Dschihadisten und den kurdischen Kämpfern, die Kobane (Arabisch: Ain al-Arab) verteidigten, liege nur noch ein freies Feld.
Auch der Chef der syrischen Kurden-Partei der Demokratischen Union (PYD), Saleh Muslim, berichtete der Nachrichtenagentur Reuters von heftigen Kämpfen. "Die kurdischen Einheiten verteidigen sich mit allem, was sie in die Hände bekommen, um ein Massaker zu verhindern." Doch wenn die IS-Kämpfer in die Stadt gelangen sollten, "werden sie alles zerstören und die Menschen abschlachten", so Muslim.
Strategisch wichtige Grenzstadt
Die Europäer und die USA seien bereits um Waffenlieferungen gebeten worden. Aber offenbar gebe es Hindernisse. "Die Türkei und andere Länder verhindern dies, weil sie nicht wollen, dass die Kurden sich selbst verteidigen können", sagte der Kurdenführer. Einwohner von Kobane hatten kritisiert, die Zahl der Luftangriffe gegen die Extremisten sei zu gering. Die Angriffe seien zudem zu weit weg von der Front, beklagten Einwohner nach einem Bericht des US-Senders CNN. Tausende Einwohner sind in den vergangenen Tagen vor den Kämpfen in die Türkei geflohen.
Die mehrheitlich von Kurden bewohnte Stadt im Norden Syriens ist seit Tagen von Truppen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) eingeschlossen und liegt unter schwerem Artilleriebeschuss. IS-Einheiten kontrollieren bereits Dutzende Dörfer im Umland der syrisch-türkischen Grenzstadt. Für die Dschihadisten hat die Stadt an der Grenze zur Türkei eine wichtige strategische Bedeutung - mit ihrer Eroberung könnten die Dschihadisten zwei von ihnen beherrschte Gebiete in Syrien verbinden.
Türkei bringt Truppen in Stellung
Angesichts der Kämpfe in Kobane hat die Türkei Truppen an der Grenze zu Syrien zusammengezogen. Nach Angaben türkischer Medien bezogen 35 Panzer wenige Meter von der Grenze entfernt Stellung. Insgesamt seien 10.000 Soldaten in Alarmbereitschaft versetzt worden. Die Regierung in Ankara will noch in dieser Woche über einen möglichen Einsatz gegen den IS entscheiden.
Sie hat das Parlament gebeten, ein Mandat auszuweiten, das ursprünglich dafür gedacht war, kurdische Rebellen in deren Rückzugsgebieten im Nordirak zu bekämpfen und die Türkei gegen eine Bedrohung durch syrische Regierungstruppen zu schützen. Das Mandat werde "alle möglichen Bedrohungen" abdecken, kündigte Vize-Regierungschef Bulent Arinc an.
Briten bombardieren IS-Kämper im Irak
Meldungen über Erfolge gegen die IS-Milizen kommen dagegen aus dem Irak. Dort flog die britische Royal Air Force erstmals Luftschläge auf IS-Stellungen. Bei dem Einsatz seien ein Artilleriegeschütz und ein mit Waffen ausgerüstetes Fahrzeug zerstört worden, teilte Verteidigungsminister Michael Fallon per Twitter mit. Das britische Parlament hatte am Freitag mit großer Mehrheit für eine Beteiligung am Kampfeinsatz der internationalen Allianz gestimmt.
Im Norden Iraks starteten kurdische Peschmerga-Kämpfer eine Offensive gegen den IS. An drei Fronten starteten kurdische Truppen nach eigenen Angaben ab dem Morgengrauen Angriffe auf IS-Stellungen nördlich von Mossul, in der für das Ölgeschäft wichtigen Stadt Kirkuk sowie einer weiteren Stadt an der syrischen Grenze. Einem ranghohen Peschmerga-Vertreter zufolge eroberten die Truppen mehrere Dörfer zurück, die IS-Einheiten zuvor besetzt hatten. Unterstützt wurden sie dabei aus der Luft von den USA und ihren Verbündeten.
cw/cr (afp, dpa, rtr)