Tate Britain feiert moderne Künstlerinnen
21. April 2019Es weht ein frischer Wind in allen vier Häusern der Tate Britain, erst recht seitdem drei von ihnen von Frauen geführt werden. Jetzt preschen die Galerien bei der Gleichstellung von Mann und Frau in der Kunst voran: Die Mission ist, bei zeitgenössischen Ausstellungen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu erreichen.
Und dabei bleibt es nicht, die Ausstellungen sollen auch die Vielfalt der Kunst von allen Kontinenten dokumentieren. Weltoffenheit, gerade in Brexit-Zeiten, will Maria Balshaw beweisen, die als Kulturwissenschaftlerin vor zwei Jahren zur ersten Direktorin in der 120-jährigen Geschichte der renommierten Tate-Museen berufen wurde.
Sechzig Jahre moderne Kunst von Frauen
Mit ihrem jüngsten Projekt macht die von ihr geleitete Tate Britain nun Schlagzeilen: Im Mutterhaus der Gruppe, wo britische Kunst von 1500 bis heute gezeigt wird, werden in der Sektion Zeitgenössische Kunst der letzten sechzig Jahre Arbeiten von männlichen Künstlern abgehängt.
Unter dem Titel "Sixty Years" erzählt die Schau über neun Räume die Geschichte weiblicher Künstler von 1960 bis heute neu. Etwa 60 Kunstwerke von dreißig Künstlerinnen, die in Großbritannien arbeiten, sind ab 22. April 2019 thematisch gruppiert nebeneinander zu sehen.
Die gemeinsame Ausstellung soll "keine explizit feministische Schau" sein, erklärt Andrea Schlieker, Ausstellungs-Direktorin in Tate Britain. "Uns geht es darum, die Internationalität in der britischen Kunstentwicklung aufzuzeigen", betont sie.
Vielfalt und Internationalität seien Kennzeichen der "Britishness". Unter anderen sei das zu erkennen in den Werken der Video-und Installationskünstlerinnen Susan Hiller und der britisch-palästinensischen Mona Hatoum, in Gemälden der deutschen Künstlerin Tomma Abts, die 2006 den Turner-Preis gewann und in Arbeiten von Bridget Riley, Rachel Whiteread oder Sarah Lucas.
Kunstgeschichte kurz mal umschreiben
Auch der Dialog zwischen älteren und jüngeren Generationen von Künstlerinnen wird herausgestellt, Fragen von "politischer Geografie", Identität, Farbe und Geschlechtern werden angesprochen. So zeigt die britisch-afro-karibische Künstlerin Sonia Boyce eine Fotoserie, in denen verdutzte Passanten auf unterschiedlichste Weise auf das Aufsetzen einer Afro-Perücke reagieren.
Für 2020 plant die Tate Britain eine Umhängung ihrer gesamten Sammlung "von unten her", Bildtexte sollen neu geschrieben und bislang zu wenig beachtete Kunst stärker präsentiert werden, kündigt Schlieker an. Dabei solle nicht nur das koloniale Erbe der Sammlung kritisch unter die Lupe genommen, sondern auch Fragen wie Gender und Hautfarbe neu bewertet werden. "Wir versuchen, alles aufzumischen und die Kunstgeschichte weitgehend umzuschreiben."
Soloschauen für Künstlerinnen
In der Tate Modern, dem Haus für Moderne Kunst, verfolgt Direktorin Frances Morris dasselbe Gleichheitsprinzip mit einer Reihe von Soloschauen für Künstlerinnen - von Anni Albers bis Dora Maar und Dorothea Tanning. Nicht ohne Stolz wird in der Tate darauf hingewiesen, dass der begehrte Turner-Kunstpreis in den vergangenen acht Jahren sechsmal an eine Künstlerin vergeben wurde. "Wir leben in einer positiven und fruchtbaren Zeit für die Frauenkunst", kommentiert Maria Balshaw mit Stolz.