"Tag der offenen Moschee"
4. Oktober 2012"Ich persönlich halte viel davon, sich über die ästhetische Seite der Religion zu nähern“, sagt Pastor Franz Meurer beim Moscheebesuch in der Kölner Zentralmoschee. Er ist Kenner des christlich-islamischen Dialogs. Religion sei eine Art von Kultur. Und Ästhetik, so subjektiv sie auch sei, sei immer friedensstiftend, sagt er weiter. Wie jedes Jahr am Tag der offenen Moschee, besucht der Geistliche aus Köln demonstrativ seine muslimischen Freunde in den Moscheen. Bereits in seiner Sonntagspredigt fordert er seine Kirchengemeinde auf, an diesem Tag in die muslimischen Gotteshäuser zu gehen, mit Muslimen ins Gespräch zu kommen und mehr über den Islam zu erfahren. Die Kunstinteressierten hatte er dieses Jahr auf seiner Seite, schließlich drehte sich alles um "Islamische Kunst und Kultur“. In der Regel besucht Pastor Meurer die Moscheegemeinde in seinem Viertel. Doch dieses Mal fiel die Wahl auf die im Bau befindliche Kölner Zentralmoschee. "Unsere Kirche St. Theodor wurde ja auch von Paul Böhm, dem Architekten der Zentralmoschee, entworfen“, sagt er stolz und in typisch rheinischem Slang.
Islamfeindliche Plakate abgehangen
Vor Ort will der Pfarrer vor allem eines: ins Gespräch kommen, mit Muslimen aber auch mit Christen oder Andersgläubigen. "Wir haben uns über viele religiöse Fragen unterhalten. Für Muslime beispielsweise ist die Dreifaltigkeit schwer zugänglich“. Für Christen sei es befremdlich, warum der Islam Frauen und Männer nicht in allem gleich stelle. "Und für Muslime wiederum ist das Zölibat völlig unverständlich."
Pastor Meurer leitet die Kirchengemeinde in Höhenberg-Vingst, einem sozialen Brennpunkt Kölns. Mit seinem Engagement für sozialschwache Kinder und Jugendliche hat er sich als "Sozialpfarrer“ längst einen Namen gemacht. Besonders am Herzen liegt ihm das friedliche Miteinander von Christen und Muslimen, für das er sich vehement einsetzt: "Wer bei uns im Viertel Muslime verachten würde oder seitens der Muslime die Christen verachten würde, hätte einen schweren Stand“. Zwar sei die Arbeitslosigkeit im Viertel hoch, Armut und Verwahrlosung ein Thema, aber das Miteinander der Religionen und Kulturen funktioniere gut. "Allerdings setzen wir auch eindeutig Zeichen. Für den Bau der Zentralmoschee haben wir Geld gespendet“, was nicht überall gut ankam. Die islamfeindlichen Plakate der rechtsextremen Partei Pro Köln habe er im Umfeld der Kirche einfach abgehangen. "Ich bin dafür auch vor Gericht gegangen und habe letztendlich eine Strafe bezahlt. Aber das war selbstverständlich“, sagt der 60-jährige Kirchenmann.
Rückkehr zum Dialog
Im Kölner Problemviertel Höhenberg-Vingst bildeten Muslime inzwischen die größte Religionsgemeinschaft. Franz Meurer betont, dass die Schwierigkeiten dort ausschließlich sozialer Natur seien. Die Religionszugehörigkeit spiele da überhaupt keine Rolle. Mit seiner Haltung und seinem Engagement ist Meurer ein gern gesehener Gast am Tag der offenen Moschee. "Ich bin fest davon überzeugt, dass durch den Abbau von vielen Vorurteilen und Ängsten, die Atmosphäre des Dialoges in Deutschland wieder zurückkehren wird. Wir haben sie für eine Weile verloren, wegen so vielen spannungsvollen Anlässen", sagt Bekir Alboga von der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib).
Moscheeneubau weckt Interesse
In der Zentralmoschee war man über das große Interesse und die zahlreiche Gäste in diesem Jahr sehr erfreut. Das war nicht immer so. Noch vor zwei Jahren etwa, feierte man den Tag der offenen Moschee seitens der Ditib-Zentrale in einem provisorischen Zelt. Die Gäste konnte man zählen. Der repräsentative Bau in Köln-Ehrenfeld aber scheint schon vor seiner Einweihung zum Besuchermagneten zu werden. "Ich bin deswegen hier, weil ich diesen Bau total faszinierend finde," sagt Pamela Brand. Die Berlinerin hat lange in Köln gelebt und schön öfters Moscheen besucht. "Als noch die alte Ditib-Moschee hier war, hatte man das Gefühl, es hätten sich nur zehn Leute hierhin verirrt. Auch die Ditib war nicht wirklich vorbereitet. Und jetzt ist es tatsächlich ein Volksfest".
Im Rahmenprogramm boten die Gastgeber Koranrezitationen, klassische Musik, Gebetsgesänge, Moscheeführungen und zahlreiche Stände mit unterschiedlichster Kunst. Glasmalereien, islamische Kalligraphie und Stuckarbeiten mit orientalischen Motiven fanden besonderes Interesse. Für Pastor Meurer sind solche Tage nicht unwichtig, aber einen höheren Stellenwert hat für ihn der Umgang unter den Menschen während des ganzen Jahres. In seiner Kirche sind regelmäßig Muslime zu Gast. Dann führt er sie durch die Kirche und erklärt, wie die vielen sozialen Angebote zustande gekommen sind. Am Schluss gibt es Kaffee und Kuchen – und gute Gespräche.