Kulturschatzkammer Belgien
20. Juli 2005Jugendstil und Trödel
Von der Autobahn aus gleicht Belgien einer Architekturwüste: karge Felder, trostlose Raststätten, häßliche Vorstädte. Aber das Land hat große Architekten hervorgebracht. Viktor Horta ist so einer. Er hat um die Jahrhundertwende in Brüssel wunderschöne Jugendstilvillen gebaut.
Geschwungene Metallgeländer, ovale Fenster mit fliederfarbenen Teilstücken, und entzückende Erker – das alles kann man zum Beispiel im Horta-Museum bewundern, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts Hortas Wohnhaus war. Jugendstil zum selber kaufen hat die Haupstadt aber auch zu bieten. Denn am Wochenende bauen in der Altstadt am "Grand Sablon" und auf der "Place Jeu de Balle" Antikhändler ihre Stände auf. Ein paar Jugendstilvasen und Lampenständer sind immer dabei.
Modedesign und Tanztheater
Die Stadt Antwerpen liegt in Flandern und ist die schöne Gegenspielerin zum rußigen wallonischen Liège. Viele belgische Modedesigner sind in der Hafenstadt Antwerpen zu Hause. Sie entwerfen an der "Königlichen Akademie der Schönen Künste" oder am Flämischen Fashion Institut. Einer der bekanntesten von ihnen ist Dries Van Noten. Seine Kollektionen sind auch auf den Laufstegen von Paris und Mailand zu Hause. Internationale bekannt ist auch das belgische Tanztheater. Die Choreographin Anne Teresa de Keersmaeker und ihre Gruppe "Rosas" sind im Norden von Brüssel zu Hause, touren aber in Wien, London und Tokio. In ihrem jüngsten Stück, "desh", tanzt sie selbst mit – auf staubiger Bühne zu indischer Musik.
Chanson und New Beat
Belgiens heimliche Hymne ist das Lied "Het vlakke land" oder "Mon plat pays" – zu deutsch "Mein Flachland" – von Jacques Brel (1929-1978). Der Brüsseler Chansonnier mit den vorstehenden Zähnen singt darin vom Nordwind, der über Belgien weht und über den Himmel, der so tief hängt, dass er einen ganz demütig macht. Brel sang so gut, dass die Franzosen ihn einfach in ihre Ahnengalerie der besten Musiker aufnahmen. In Belgien hören bis heute viele Brel, aber die Belgier mögen und machen auch ganz andere Musik: in kleinen Bars mit Samtsofas blüht der Jazz, auf einem Hausboot auf dem Kanal tanzt man zu belgischem New Beat (House). New-Wave kommt von Plastic Bertrand, Grunge von Sincere.
Essen und Trinken
Pommes, Waffeln und Schokolade – diese belgische Speisekarte klingt auf den ersten Blick vulgär. Ist sie oft auch, aber auf eine sehr charmante Art. Denn nirgends gibt es so viele tolle Saucen auf die goldgelben Pommes: Andalouse, Cocktail, Chasseur… gern auch mit frischen Miesmuscheln. Nichts macht glücklicher als eine Zuckerwaffel unterm Brüsseler Nieselregen. Und in kleinen Schokolaterien darf sich jeder seine Lieblingstäfelchen und Pralinen selbst aussuchen.
Trinken sollte man Bier. Denn Bier ist in Belgien nicht einfach nur Bier. Leffe, Duvel, Chimey und die mehr als hundert anderen Biersorten sind das Lebenselexir der Nation. Die Belgier kulitivieren die Braukunst wie keine anderes Land. Alles ist erlaubt, nicht bloß Hopfen, Hefe und Gersten! Trappisten-Bier von Mönchen gebraut, Dunkles für die Matrosen und Pfirsichbier für die Mädchen.