"Russendisko" im Kino
30. März 2012Ost-Berlin im Sommer 1990 - ein Ort voller Verheißungen, Umbrüche und Abenteuer. Die drei jungen Russen Wladimir (Matthias Schweighöfer), Mischa (Friedrich Mücke) und Andrej (Christian Friedel) beschließen, die Gunst der Stunde zu nutzen und nach Deutschland zu immigrieren. Sie setzen sich einfach in den Zug: mal schauen, was kommt.
Die drei Freunde wollen aber nicht nur Berlin sehen - sie hoffen auf eine bessere Zukunft. Als jüdische Russen erhalten sie in den letzten Tagen der DDR eine Aufenthaltsgenehmigung und ein Zimmer in einem chaotischen Asylantenheim. Vor allem Wladimir lebt zunächst nur so vor sich hin, weiß nichts so recht mit sich und der neuen Spielwiese Berlin anzufangen. Doch alles ändert sich, als er die bezaubernde Tänzerin Olga kennenlernt.
Berliner Lebenskünstler der Nachwendezeit
Was den Erfolg des Buches des russisch-jüdischen Autors und DJs Wladimir Kaminer ausmachte, war vor allem die zutiefst komische aber immer auch melancholische Szenebeschreibung Berlins kurz nach dem Mauerfall. Die Berliner und die aus allen Himmelsrichtungen zuströmenden Emigranten - sie kommen darin als schrullige Lebenskünstler daher.
Kaminer selbst hat versucht, "Russendisko", eher eine Ansammlung von Anekdoten als eine zusammenhängende Geschichte, als Drehbuch zu adaptieren. Nun überließ er das anderen. Zusammen mit dem Produzenten Christoph Hahnheiser entwickelte Oliver Ziegenbalg das Drehbuch. Schon mit "Friendship!" (2010), in dem sich zwei Ostdeutsche direkt nach dem Mauerfall auf eine Odysee in die USA begeben, bewies Ziegenbalg ein Händchen für die Geschichtskomödie.
Mit "Russendisko" gibt Ziegenbalg gleichzeitig sein Regiedebüt. Er orientiert sich dabei eingestandenermaßen ästhetisch an der "Fabelhaften Welt der Amélie" (2001). Auf Berlin bezogen bedeutet das: heruntergekommene Fassaden werden zu malerischen Hintergründen, trostlose Bauten erscheinen im "Plattenbau-Chic", das Ganze durchmischt mit ein paar hübsch-frechen Zeichentricksequenzen.
Buchautor als heimlicher Star
Wie Ziegenbalg seine Hauptfiguren auf einen eigenwilligen Selbstfindungstrip schickt, ist zwar nie tiefgründig, aber doch immer amüsant. Die Hauptrolle spielt, wie in "Friendship!", Matthias Schweighöfer.
Schweighöfer gibt den Wladimir jungenhaft und charmant, wie fast alle seine Rollen (u.a. "Keinohrhasen", "Soloalbum“, "What a man"). Das ist zwar für den Zuschauer manchmal langweilig, doch der Jung-Star ist und bleibt ein Kassengarant. "Die Tendenz Schweighöfers, den dargestellten Charakteren nicht neue Facetten zu geben, entspricht nicht dem Idealbild vom "wandlungsfähigen" Schauspieler, sie ist aber oft sehr erfolgreich", schrieb beispielsweise die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Schweighöfer spiele Wladimir so "überzeugend, weil er gern dieses für alles offene Berlin erlebt hätte", schrieb die "Welt am Sonntag". Der heimliche Star des Films bleibt aber immer noch Wladimir Kaminer selbst, der mit seinem Gastauftritt als radebrechender "Radiodoktor" die witzigsten Szenen des Films abliefert.