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Kroatischer Rechtsruck?

Nemanja Rujevic19. Februar 2016

Die konservative Regierung versprach zügige Reformen, doch stattdessen gibt es in Kroatien Streit zwischen verschiedenen Lagern. Dabei stehen Kulturminister Hasanbegović und eine Kopfbedeckung im Mittelpunkt.

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Zlatko Hasanbegović - Foto: Luka Stanzl (Piksell)
Bild: picture alliance/PIXSELL/L. Stanzl

Die Vergangenheit holt Kroatien immer wieder ein. Doch die derzeitige Ideologieschlacht, die das Balkanland spaltet, wurde erst durch eine Kappe so richtig angeheizt. Die Kopfbedeckung an sich, schwarz und schlicht, wäre nicht bemerkenswert gewesen - wäre nicht ein glänzendes "U" aufgenäht gewesen: ein Symbol des Ustasha-Regimes, das im Zweiten Weltkrieg an Hitlers Seite gekämpft und grausame Verbrechen an Serben, Juden und Roma verübt hat. Zur Prominenz der erwähnten Kappe aber hat vor allem beigetragen, dass sie auf dem Kopf von Zlatko Hasanbegović saß. Er ist der frischgebackene Kulturminister Kroatiens.

Wochenzeitung Novosti mit dem Bild von Zlatko Hasanbegović - Foto: portalnovosti.com
Wochenzeitung Novosti mit Hasanbegović-Foto (oben links)Bild: portalnovosti.com

Das Foto stammt aus der Mitte der Neunziger und wurde in der rechtsextremen Zeitschrift "Unabhängiger Staat Kroatien" veröffentlicht, wo der junge Hasanbegović die Ustashas in mehreren Artikeln als "Helden" und "Märtyrer" feierte.

Was die Sache noch pikanter macht: Das Foto wurde jetzt ausgerechnet von der Wochenzeitung "Novosti" neu veröffentlicht, einer Zeitung, dessen Herausgeber im Nationalrat der serbischen Minderheit in Kroatien sitzt. Dem Nationalrat wurde ohnehin gerade erst von höchster Stelle vorgeworfen, kroatische Nationalgefühle zu beleidigen.

Der liberale Teil der Öffentlichkeit sah in Hasanbegović schon immer einen NS-Sympathisanten. Seine Berufung zum Minister wird von linksgerichteten Intellektuellen als Beweis dafür gewertet, dass die neue Mitte-Rechts-Regierung endgültig mit all denen abrechnen will, die weniger national gesinnt sind als sie selbst.

Restauration oder linke Schwarzmalerei?

"Hasanbegović ist eine Botschaft", sagt etwa der linke Autor und Historiker Dragan Markovina. Der umstrittene Minister sei gerade wegen seiner nationalistischen Gesinnung berufen worden. Damit bediene die Kroatische Demokratische Union (HDZ) das äußerst rechte Spektrum der Wählerschaft. "Die HDZ ist bemüht, jegliche positive Deutung der sozialistischen Zeit zu unterbinden. Deswegen will sie auch im Bereich Kultur nur gleichgeschaltete Meinungen", sagte Markovina der DW.

Hasanbegović selbst versuchte zunächst, das belastende Foto als bösartige Montage abzutun. Als auch seine Lobeshymnen auf das Ustasha-Regime publik wurden, schaltete der heute 42-Jährige auf Angriff um: "Es ist eine politische Manipulation, 20 Jahre alte Statements aus meinem Jugend- und Studentenleben zu nutzen." Er, seine Partei und Regierung seien der Demokratie und dem Antifaschismus treu.

Kritiker kaufen ihm eine solche Erklärung nicht ab. In Kroatien ist von polnischen Verhältnissen die Rede und von einem "Bürgerkrieg der Deutungen". Alles Übertreibungen, erwidert Ivo Banac, ein früherer Politiker und Geschichtsprofessor an der US-amerikanischen Universität Yale. "In Kroatien operiert eine organisierte Lobby, die diesen Minister um jeden Preis aus der Regierung vertreiben möchte. Es ist ein Versuch, innerhalb der Regierungskoalition, Streit zu provozieren und Neuwahlen zu erzwingen, die eventuell die Sozialdemokraten zurück an die Macht bringen könnten", sagt Banac.

Der Zwist um die Medienfinanzierung

Eine These, die nicht nur Banac vertritt: Die sozialdemokratische Vorgängerregierung habe die Finanzierung der sogenannten nicht-profitablen Medien eingeführt - meistens geht es dabei um kleine Internet-Portale. Dass der Kulturminister Hasanbegović das Geld für diese Medien nicht mehr ausgeben möchte, mache ihn zur Zielscheibe. "Es sind zu 95 Prozent Medien, die extrem linke Positionen vertreten. Die haben zwar gelegentlich auch die Sozialdemokraten kritisiert, sind aber besonders kritisch mit der HDZ", meint Banac.

Dragan Markovina, der selbst für ein linkes Portal schreibt, ist da anderer Meinung: "Hier geht es um Portale, die meist von Journalisten ins Leben gerufen wurden, die ihre Jobs verloren haben. Im Internet machen sie jetzt gute Arbeit, veröffentlichen fundierte Kritik und ärgern damit die religiösen und nationalistischen Konservativen." Außerdem, so Markovina weiter, stünden die 600.000 Euro im Jahr, die kleine Medien insgesamt aus dem Etat bekämen, in keinem Verhältnis zu 20 Millionen für die Förderung der kommerziellen Presse.

Tihomir Orešković - Foto: STR (EPA)
Neuer kroatischer Regierungschef Tihomir OreškovićBild: picture-alliance/dpa/Str

Reformen hinten angestellt

Kulturminister Hasanbegović ist nun schon das zweite Mitglied der neuen Regierung, das für Unmut sorgt. Nur wenige Tage nach seiner Ernennung musste der Veteranenminister Mijo Crnoja seinen Posten räumen - weswegen er im Internet sarkastisch "Sechs-Tage-Minister" genannt wird. Crnoja hatte gefordert, ein "Verzeichnis der Verräter" zu erstellen, also der kroatischen Bürger, die während des sogenannten "Vaterländischen Krieges" gegen die serbische Aggression zwischen 1992 und 1995 ihren Patriotismus nicht ausreichend unter Beweis gestellt hätten.

Das rief heftige Proteste hervor: Tausende Bürger trugen sich freiwillig in eine spontan erfundene "Verräterliste" ein. In der Öffentlichkeit hagelte es der Rücktrittsforderungen. Der Grund, warum Crnoja die Regierung dann tatsächlich verlassen musste, war dann aber profaner: Die Medien enthüllten seine undurchsichtigen Kredite und die dubiose Aneignung eines Grundstückes.

Mit entschlossenen Wirtschaftsreformen, die der neue Regierungschef Tihomir Orešković angekündigten hat, haben die aktuellen ideologischen Kämpfe in Kroatien nicht viel zu tun. Während die allgemeine Arbeitslosenquote 17,5 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeit bei 44 Prozent beträgt, entzweit die Hasanbegović-Kappe die Gesellschaft - statt einen Blick in die Zukunft zu richten, verharrt Kroatien in der Beschäftigung mir der eigenen Vergangenheit.