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Kroatien: Die Kehrseite des Tourismusbooms

19. September 2023

Nach Euro- und Schengen-Beitritt zum Jahresbeginn erlebt das Land einen wahren Urlauberansturm. Die wachsende Popularität hat aber auch negative Folgen.

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Blick auf das Meer und Dubrovnik, Kroatien
Dubrovnik ist als Drehort der Serie "Game of Thrones" weltweit berühmt gewordenBild: Markus Mainka/picture alliance

Kroatien ist als Reisedestination gefragt: Die Tourismuswirtschaft des südosteuropäischen Landes wird in diesem Jahr voraussichtlich die Zahlen aus dem bisherigen Rekordjahr übertreffen, dem letzten Vor-Corona-Jahr 2019. Das teilt das Tourismusministerium auf Anfrage mit. Der Hauptgrund für den Boom: Seit Jahresbeginn gehört Kroatien zum Schengen-Raum, Grenzkontrollen fallen für die meisten Touristen nun also weg. Außerdem löste der Euro die bisherige Währung Kuna ab. Auch das erleichtert das Reisen.

"Im Vergleich zu den Vorjahren und der Zeit vor der Pandemie war in der ersten Hälfte des Jahres 2023 ein Anstieg des Tourismusverkehrs zu verzeichnen", so ein Sprecher des Ministeriums. Das sei unter anderem Städtereisen und dem Wochenendtourismus zu verdanken, die durch die einfachere Anreise aus anderen Schengen-Ländern begünstigt würden. Bereits in den vergangenen Jahren hatte der Tourismus bis zu 20 Prozent zum kroatischen Bruttoinlandsprodukt beigetragen und war insbesondere in den Küstenregionen zum entscheidenden Wirtschaftsfaktor geworden.

Touristen in den Straßen von Dubrovnik, Kroatien
Dubrovnik ist eines der meistbesuchten Reiseziele in KroatienBild: Grgo Jelavic/PIXSELL/picture alliance

Der Euro macht das Reisen leichter

Der Beitritt zur Eurozone wiederum habe die Markttransparenz erhöht, indem das Preis-Leistungs-Verhältnis für Urlauber nun klarer sei, so ein Ministeriumssprecher. Zudem seien die Unsicherheiten im Zusammenhang mit Wechselkursschwankungen weggefallen. Das erleichtere den Touristen die Planung ihrer Reise und ihres Budgets. "Der Beitritt zu Schengen- und Euro-Zone bringt dem kroatischen Tourismus beträchtliche Vorteile", heißt es aus dem Ministerium. "Insbesondere wenn man bedenkt, dass rund 80 Prozent der Übernachtungsurlauber in Kroatien aus dem Schengen-Raum und fast 60 Prozent aus der Eurozone kommen."

Ein voller Strand auf der Insel Krk, Kroatien
Viel los am Strand auf der Insel Krk. Kroatien verzeichnet 27,3 Millionen Übernachtungen von Januar bis Ende Juni 2023Bild: Nel Pavletic/PIXSELL/picture alliance

Dass die neue Situation aber auch neue Probleme mit sich bringt, räumt man in Zagreb ebenfalls ein. So hatte es zuletzt vermehrt Klagen wegen stark gestiegener Preise gegeben. "Wir sind uns dessen bewusst", so ein Ministeriumssprecher. Das sei aber weniger der Währungsumstellung geschuldet, als der weltweiten Inflation. Analysen hätten ergeben, dass die Preise auch in anderen Mittelmeerdestinationen gestiegen sind, die schon viel länger der Eurozone angehören. "Leider gab es auch Fälle, in denen die Einführung des Euro als Vorwand für Preiserhöhungen genutzt wurde." Solche "unlauteren Praktiken" würden von den zuständigen Behörden überwacht. Man finde in Kroatien aber beispielsweise auch weiterhin die niedrigsten Benzinpreise in der EU.

Umweltschützer üben Kritik

Klar ist jedoch: Die wachsende Popularität des Landes mit seinen 1880 Kilometern Küste, den mehr als 600 Inseln und touristischen Hotspots wie etwa Dubrovnik hat auch eine Kehrseite. Die negativen Folgen des Massentourismus bleiben nicht aus. Wie etwa in Istrien, im Norden des Landes, der Region mit den bei weitem höchsten Urlauberzahlen. Kritik an der Entwicklung üben beispielsweise die Umweltschützer von Zelena Istra (Grünes Istrien).

Urlauber und volle Restaurants in Porec, Kroatien
Istrien ist die Region des Landes mit dem höchsten Urlauberaufkommen. Hier: die Altstadt von PorecBild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Die Probleme reichten von der unzureichenden Infrastruktur, etwa bei der Abfallentsorgung, über illegale Bauvorhaben und die Errichtung ganzer Siedlungen, die im Sommer zur Ferienvermietung dienen und danach monatelang leer stehen, bis hin zur Privatisierung von Stränden: Die lokale Bevölkerung verliere in solchen Fällen den freien Zugang zur Küste, so Dunja Mickov von Zelena Istra. Auch die künstliche "Verschönerung" von Stränden sei nicht vertretbar. Immer wieder würden eigentlich felsige Bereiche mit Sand aufgeschüttet, um die touristische Nutzung zu erleichtern.

Der Verlust der biologischen Vielfalt, die Verschmutzung der Luft, des Meeres und der Grundwasservorkommen seien nur einige der Folgen des Massentourismus für die Umwelt. "Aber wer überwacht das schon? Wer kümmert sich darum? Alles geschieht viel zu schnell. Eine Reaktion der Kontrollinstanzen bleibt aus und es gibt keine Strafen für diejenigen, die sich nicht an die Gesetze halten", so Mickov.

Inseln in Kroatien
In Kroatien gibt es mehr als 600 InselnBild: Markus Mainka/picture alliance

Zertifikat für nachhaltige Unterkünfte

Auch bei der Umweltschutzorganisation Sunce macht man sich Gedanken darüber, wie sich die Urlaubsindustrie künftig nachhaltig entwickeln kann. "Kroatien hat in den letzten Jahren ein erhebliches Wachstum des Tourismus erlebt", so ein Sprecher der Gruppierung. Es sei eine Herausforderung, den großen Andrang mit der Erhaltung der natürlichen Ressourcen und des kulturellen Erbes in Einklang zu bringen. Zuletzt hat Sunce das Zertifizierungsprojekt Dalmatia Green auf die Beine gestellt, in dessen Rahmen besonders nachhaltige touristische Unterkünfte in der Region ausgezeichnet werden. Die Regierung in Zagreb unterstützt das Projekt.

Tatsächlich scheint man auch in der Hauptstadt erkannt zu haben, dass es ohne stärkere Eingriffe nicht geht. Die Regierung plant nun ein umfassendes Tourismusgesetz, das die Entwicklung auf der Grundlage objektiver Daten steuern soll, wie es aus dem Ministerium heißt. Neben anderen Maßnahmen sei auch eine Urlauberabgabe vorgesehen. Die Einnahmen daraus sollen der Umwelt zugutekommen. Die Steuer werde aber ausschließlich in Gegenden eingeführt, die unter den negativen Auswirkungen des Urlauberbooms leiden. Mit der Einführung sei nicht vor 2025 zu rechnen. "Massentourismus ist definitiv nicht das, was wir wollen", heißt es. Über die aktuell steigenden Besucherzahlen freut man sich in Zagreb aber dennoch.

Jonas Martiny -  Travel Online-Autor
Jonas Martiny Reporter, Korrespondent