Kritische Töne von Köhler
24. Mai 2004
"Man muss sich einordnen können in die Situation der Gesellschaft, und einige Wirtschaftsmanager können das sehr schlecht", sagte Köhler am Sonntagabend im ARD-Fernsehen. Wenn jemand ein großes Unternehmen führe, zweistellige Millionenbeträge an Gehalt beziehe und gleichzeitig vermittle, "dass er zehntausende von Leuten freisetzt, dann fehlt es hier nicht nur an Instinkt, sondern auch an unternehmerischem Bewusstsein", so Köhler.
Allgemein wünsche er sich bei den führenden Managern in Deutschland mehr Verantwortungsbewusstsein. Zur aktuellen Politik in Deutschland sagte der ehemalige IWF-Chef, sie sei "ein bisschen müde geworden, auch zu schauen, was die Bürger wirklich bewegt. Man bewegt sich zu sehr im eigenen Brei."
Heraustreten aus dem Schatten der Politiker
Der 61-jährige Köhler, CDU-Mitglied seit 1981, wird der 9. Bundespräsident seit 1949. Er übernimmt das höchste Staatsamt am 1. Juli als Nachfolger des Sozialdemokraten Johannes Rau, der nicht mehr für eine zweite, fünfjährige Amtsperiode kandidierte. Köhler hatte bei zahlreichen Auftritten im Vorfeld der Wahl deutlich gemacht, dass er die Durchsetzung der Reformpolitik für die Zukunft Deutschlands für unbedingt erforderlich hält. Bislang stand der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds IWF als politischer Beamter meist jenseits der öffentlichen Wahrnehmung. Köhler war maßgeblich an der Wirtschafts- und Währungsunion bei der deutschen Einheit sowie der Einführung des Euro beteiligt.
Köhler erhielt als Kandidat von Union und FDP in der Bundesversammlung 604 Stimmen - das ist lediglich eine mehr als für die absolute Mehrheit (603) erforderlich. Seine Gegenkandidatin, die von SPD und Grünen nominierte Politik-Professorin Gesine Schwan (61) erhielt 589 Stimmen. Zwei Stimmkarten waren ungültig. Neun Wahlleute enthielten sich. Die Wahl Köhlers gut zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl wird von Union und FDP als Signal für einen Machtwechsel in der Bundespolitik gewertet. Köhler wies diese Interpretation zurück.
Wer hat gewählt?
Die Bundesversammlung setzt sich aus den Parlamentariern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden, zusammen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung - Union und FDP verfügten zusammen über 622 Mandate im Vergleich zu 583 Stimmen von SPD, Grünen, PDS und drei "sonstigen" Abgeordneten - wäre alles andere als eine Wahl Köhlers als Blamage für Union und Freidemokraten empfunden worden.
Auch zahlreiche Prominente gaben ihre Stimme ab: So hatte die SPD unter anderem die Schauspielerin Renan Demirkan ("Der große Bellheim") sowie ihren Kollegen Ottfried Fischer ("Der Bulle von Tölz") nominiert. Für die Union schritten beispielsweise die Ski-Olympiasiegerin Rosi Mittermeier und Fürstin von Gloria von Thurn und Taxis zur Wahlurne. Der deutsche Bundespräsident hat deutlich weniger Befugnisse als etwa die Staatsoberhäupter Frankreichs oder der USA. Trotzdem ist das Amt nicht nur auf repräsentative Aufgaben beschränkt. So können Gesetze erst dann wirksam werden, wenn der Präsident sie
unterschrieben hat. (ali/arn)