Kritik an Nord Stream 2 wächst
23. Dezember 2018Was ist Nord Stream 2 eigentlich?
Eine noch nicht fertig gestellte Pipeline, die Erdgas aus Russland nach Norddeutschland transportieren soll. Die Pipeline soll allerdings nicht über Land, sondern durch die Ostsee verlaufen - über weite Strecken parallel zu der bereits verlegten Pipeline Nord Stream 1. Die neue Gasröhre befindet sich noch im Bau. Bis jetzt ist ein knappes Viertel der insgesamt 1.200 Kilometer Leitung verlegt. Nord Stream 2 soll ab 2019 bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr liefern. Damit trägt sie nach Ansicht der Bundesregierung dazu bei, "die Versorgungssicherheit Europas zu verbessern." Von Deutschland aus wird ein Teil des Gases an andere europäische Länder weitergeleitet.
Welches Unternehmen steckt dahinter?
Die Firma Nord Stream 2 AG. Sie ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des russischen Gasmonopolisten Gazprom. Zur Finanzierung der Investitionen von 9,5 Milliarden Euro tragen fünf westeuropäische Gasunternehmen bei, nämlich ENGIE, OMV, Shell, Uniper und Wintershall. Präsident des Verwaltungsrates von Nord Stream 2 ist der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, ein langjähriger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Ist Nord Stream 2 unverzichtbar für die Energiesicherheit Deutschlands?
Nein. Die Pipeline ist nicht unverzichtbar, aber sie trägt in erheblichem Maße zur Energiesicherheit bei. Die geplanten 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr entsprechen der jährlichen Gesamtfördermenge der Niederlande, des drittgrößten Gaslieferanten Deutschlands. Die Holländer fallen aber als Lieferanten schon bald weg. Die Regierung in Den Haag hat nämlich beschlossen, die Gasförderung von 2022 an stark zu reduzieren und bis 2030 ganz zu beenden. Auch der zweitgrößte im Bunde der bisherigen Gaslieferanten, Norwegen, wird künftig weniger Gas exportieren.
Erhöht das Projekt die Abhängigkeit von Russland?
Zweifellos. Schon jetzt liefert Russland 40 Prozent des in Deutschland benötigten Erdgases, Tendenz steigend. Vor allem die USA beobachten das mit Argwohn, nach dem Motto: "Energieabhängigkeit führt zu politischer Abhängigkeit." Das werden die USA nicht müde zu betonen und drohen mit Strafmaßnahmen. So sagte Richard Grenell, der US-Botschafter in Deutschland, noch kurz vor Weihnachten: "Unternehmen, die an Nord-Stream-Projekten mitarbeiten, laufen Gefahr, mit Sanktionen belegt zu werden."
Gerhard Schröder hat die Argumentation der US-Amerikaner kürzlich als "eigensüchtig" zurückgewiesen. Die USA wollten ihr aus Fracking gewonnenes Flüssig-Erdgas (LNG) "in den europäischen Markt drücken", so Schröder. Käme es mit Russland hart auf hart, dann wäre US-amerikanisches Flüssiggas tatsächlich eine Alternative. Es gibt ausreichend Lagerkapazitäten für LNG in Europa. Allerdings wäre das Gas aus den USA vor allem wegen des Transports über den Atlantik per Schiff deutlich teurer als das russische.
Wer hat sonst noch Einwände gegen Nord Stream 2?
Die Liste der Gegner des deutsch-russischen Projekts wird länger und länger. Vor allem den Ukrainern, Polen und Balten ist die Ostsee-Pipeline ein Dorn im Auge. Eine wirtschaftliche Stärkung Russlands, so heißt es, werte den "Aggressor aus dem Osten" nur weiter auf und belohne dessen "Kanonenbootpolitik". Die Ukraine und Polen ärgert aber auch, dass ihnen durch die Pipeline auf dem Meeresgrund Transitgebühren in Milliardenhöhe entgehen. Allerdings laufen sowohl durch Polen als auch durch die Ukraine immer noch Pipelines, die Einnahmen generieren.
Auch die EU sieht Nord Stream 2 kritisch. Schon 2015 - also nach der russischen Annexion der Krim - hatten sich die EU-Staaten darauf verständigt, die Abhängigkeit vom russischen Gas zu verringern. Da kann die Bundesregierung noch so sehr betonen, dass die Energiebeziehungen zu Moskau auch ein "stabilisierendes politisches Element" seien, Deutschland ist zunehmend isoliert in Europa.
Ist das Projekt politisch umstritten?
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kämpft für die Pipeline. Sie berühre Kerninteressen Deutschlands und sei nicht zuletzt auch eine Frage der Souveränität des Landes. Allerdings muss der Minister auch immer wieder betonen, dass die bestehenden Gaspipelines durch die Ukraine weiterhin betrieben würden.
Denn neben Politikern der Grünen gehen auch solche aus den Regierungsparteien Union und SPD aus außenpolitischen Gründen zunehmend auf Distanz zu dem Projekt. Zu den Kritikern gehört auch die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Zwar sei es "zu radikal", das Projekt jetzt noch zu kippen, sagte sie, aber man könne ja auch beeinflussen, "wie viel Gas durch die Pipeline geleitet wird." Und SPD-Außenexperte Nils Schmid sagt: "Wir haben zu spät auf die Kritik reagiert." Genau. Jetzt ist es in der Tat eigentlich zu spät, das Milliardenprojekt noch zu stoppen.