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Unsolidarische EU

Jennifer Fraczek2. Mai 2013

Bürgerkriege wie in Syrien treiben Millionen Menschen in die Flucht. Viele führt ihr Weg in das nächstgelegene EU-Land. Spätestens dort ist oft Endstation, denn beim Thema Flüchtlinge blocken die Europäer häufig ab.

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Internierungslager für Flüchtlinge in Griechenland (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Auch erfahrene Politiker wie Ruprecht Polenz sind bisweilen überrascht, welche Hindernisse Kriegsflüchtlinge auf ihrem Weg in ein besseres Leben überwinden müssen. Als im August Syrer in seiner Bürgersprechstunde in Münster gefragt hätten, ob ihre Familien auf der Flucht vor dem Krieg nach Deutschland kommen könnten, berichtete Polenz jüngst auf einer Menschenrechtskonferenz, habe er zunächst gedacht: "Das kann doch nicht so schwierig sein." Dann fand er heraus: Es ist schwierig. Mehr noch: "Es ist praktisch unmöglich."

Polenz, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, setzt sich seither dafür ein, dass die 40.000 in Deutschland lebenden Syrer Angehörige aus dem Kriegsgebiet oder auf der Flucht zu sich holen dürfen. Bislang bleibt diesen Angehörigen die Einreise verweigert. Mit der Begründung, es fehle die Rückkehrbereitschaft, bekämen sie kein Visum, beschreibt Günter Burkhardt, Geschäftsführer und Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl die Situation. Seine Organisation übt heftige Kritik an diesem Umgang mit Kriegsopfern.

Porträt CDU-Politiker Ruprecht Polenz (Foto: Karlheinz Schindler)
CDU-Politiker Polenz: Plädoyer für mehr HilfeBild: picture-alliance/dpa

Zähes Ringen um eine EU-Asylpolitik

Die Bundesregierung hat immerhin vor einigen Wochen erklärt, dass sie syrische Flüchtlinge aufnehmen will: 5000 Männer und Frauen werden es erst einmal sein. Innerhalb der Europäischen Union gibt es bislang sonst kein anderes Land, das eine solche Hilfe angeboten hat. Ein oft gehörtes Argument: Hilfe vor Ort bringe mehr.

Dabei stand bereits in der Erklärung der Weltmenschenrechtskonferenz in Wien 1993, die Staatengemeinschaft solle zusammenarbeiten, um Flüchtlingen zu helfen. Solidarität und ein koordiniertes Vorgehen wurden gefordert.

Eingang eines Lagers für syrische Flüchtlinge in Jordanien (Foto: Reuters)
Lager für syrische Flüchtlinge in JordanienBild: Reuters

An einem koordinierten Vorgehen in Form einer gemeinsamen Asylpolitik arbeiten die EU-Länder seit mehr als zehn Jahren. Sie wollen die Länge der Asylverfahren vereinheitlichen und dafür sorgen, dass überall dieselben Bedingungen für die Aufnahme von Flüchtlingen gelten. Das Projekt steht wohl kurz vor seinem Abschluss, wird aber in seiner jetzigen Form von Menschenrechtlern kritisiert.

"Ein menschenrechtswidriges und unfaires System"

Unter anderem, weil das Dublin-Übereinkommen als Kern der EU-Asylpolitik bestehen bleibt. Es legt fest, dass derjenige Staat für einen Flüchtling verantwortlich ist, der ihn einreisen lässt - und nicht etwa der, in dem der Flüchtling einen Asylantrag stellen möchte. Also stranden Flüchtlinge häufig in den EU-Randstaaten Griechenland, Italien oder Bulgarien. Oder sie werden dorthin wieder abgeschoben - in diesen sogenannten sicheren Drittstaat, über den sie die EU betreten haben. Wegen der problematischen Lage der Flüchtlinge in Griechenland schieben deutsche Behörden vorübergehend aber keine Flüchtlinge mehr dorthin ab.

In der künftig gemeinsamen EU-Asylpolitik erfährt die Vereinbarung als "Dublin III" einige Änderungen. Unter anderem können sich Flüchtlinge dann vor ihrer Abschiebung in den für sie zuständigen Drittstaat vor Gericht wehren. Aus Sicht von Pro Asyl ist das aber nur ein kleiner Fortschritt. Deren Geschäftsführer Günter Burkhardt bewertet das Dublin-Verfahren auch in der "Dublin III"-Fassung als unfair gegenüber den unter hohem Flüchtlingszustrom leidenden EU-Randstaaten. Es führe in vielen Fällen zu Menschenrechtsverletzungen, Flüchtlinge würden menschenrechtswidrig behandelt, sagte Burkhardt im Gespräch mit der Deutschen Welle. Sie würden in Grenzstaaten wie Griechenland weiterhin als "illegale Einwanderer" behandelt und könnten nach wie vor für mehrere Wochen oder auch Monate inhaftiert werden.

Boot mit Flüchtlingen vor Lampedusa (Foto: dpa)
Flüchtlinge vor der italienischen Insel LampedusaBild: picture-alliance/dpa

Flüchtlinge sollten dort aufgenommen werden und ihren Asylantrag stellen können, wo es für sie Anknüpfungspunkte gebe, fordert Pro Asyl. "Integration funktioniert dort am besten, wo es diese Anknüpfungspunkte gibt", glaubt Burkhardt. "Warum soll ein Syrer in Griechenland ein Asylverfahren durchlaufen, wenn sein Bruder und seine gesamte Familie in Norddeutschland leben?"

Bereit zur Rückkehr?

Günter Burkhardt plädiert für einen anderen Blick auf Flüchtlinge. "Sie werden immer nur als Menschen gesehen, die man versorgen muss." Ihr Potenzial für ein Land wie Deutschland, das ja offensiv auf der Suche etwa nach Fachkräften sei, werde meist nicht gesehen. Auch CDU-Politiker Ruprecht Polenz findet, dass man künftig "stärker ins Kalkül ziehen" solle, dass die Flüchtlinge in Deutschland bleiben, und auch auf Integration setzen.

Grenzübergang Bulgarien-Türkei (Foto: dpa)
Endstation für viele Flüchtlinge: EU-SchengengrenzeBild: picture-alliance/dpa

Politische Entscheidungen sind das eine, der Umgang der einheimischen Bevölkerung mit Flüchtlingen das andere. Als Anfang der 1990er Jahre infolge der Kriege auf dem Balkan rund 300.000 Menschen aus dem damaligen Jugoslawien nach Deutschland kamen, hätten sich in seinem Wahlkreis Münster Menschen zusammengetan, um den Flüchtlingen zu helfen, sagt Polenz. "Das kann nicht alles die Politik verfügen, das ist eine Frage des geistigen Klimas einer Gesellschaft - und da ist jeder gefordert."