Kritik an Bund-Länder-Beschlüssen zu Corona
3. Dezember 2021Nach den jüngsten Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) zur Eindämmung der Pandemie verlangen Ärzte und Wissenschaftler noch strengere Maßnahmen. Der Präsident der Intensivmediziner-Vereinigung Divi, Gernot Marx, plädiert für stärkere Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte. Im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) verweist er zur Begründung auch auf die neue Virusvariante Omikron, über die man noch nicht genug wisse. "Wir können nicht ausschließen, dass die Impfstoffe vermindert wirken", sagte Marx. "Wegen dieses Nicht-Wissens ist es zwingend notwendig, besonders vorsichtig zu sein."
Geimpfte spielen große Rolle bei Virus-Übertragung
In dieses Horn stößt auch Klaus Überla, Virologe und Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko). Er spricht von einem Fehler, Kontaktbeschränkungen für Geimpfte auszuschließen. Inzwischen trete fast die Hälfte der symptomatischen Infektionen bei Geimpften auf, erklärte er dem RND. "Die Geimpften spielen eine beträchtliche Rolle bei der Ausbreitung des Virus."
Nach Auffassung von Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt sollte für Geimpfte und Genesene bundesweit verpflichtend in Bars, Restaurants sowie für Sport und Kulturveranstaltungen in Innenräumen 2G-plus gelten - dann müsste zusätzlich ein negativer Corona-Test vorgelegt werden. Vor allem müsse die Einhaltung der Zutrittsvoraussetzungen strikt kontrolliert und deren Missachtung verbindlich sanktioniert werden, mahnte er in der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Auf die mangelnde Überprüfbarkeit der beschlossenen strengen Kontaktbegrenzungen für Ungeimpfte verweist der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. Es wäre besser gewesen, Kontaktbeschränkungen für alle zu verhängen. "Mit den Beschlüssen werden wir noch etwa drei bis vier Wochen einen Anstieg der Fälle in den Kliniken und auf den Intensivstationen haben." Die Welle werde nicht so schnell aufhören, so Zeeb.
Das Robert Koch-Institut meldet an diesem Freitag 74.352 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg wieder und zwar auf 442,1. An oder mit COVID-19 starben 390 weitere Menschen.
Dagegen kritisiert der Einzelhandel die Ausweitung der 2G-Vorschrift für die meisten Geschäfte. Diese mache es den Nicht-Lebensmittelhändlern in ihrer umsatzstärksten Phase unnötig schwer, einen versöhnlichen Jahresausklang in einem durch Corona geprägten Jahr zu finden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, der "Rheinischen Post". Der Handelsverband befürchtet Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent in den betroffenen Läden.
Viele Lokal-Schließungen in der Gastronomie befürchtet
Der Gastronomieverband Dehoga klagte, die Lage der Branche werde "wirklich von Tag zu Tag dramatischer". Viele Inhaber von Gaststätten und Bars gehen davon aus, dass sie ihr Lokal im Verlauf des zweiten Corona-Winters ganz schließen müssen.
Bund und Länder hatten am Donnerstag weitere Maßnahmen vorgestellt, um die Virusausbreitung zu bremsen. Dazu zählen erhebliche Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte im privaten Bereich. Zudem wird ihnen im Weihnachtsgeschäft der Zutritt nur noch zu Lebensmittelläden, Apotheken und Drogeriemärkten gestattet. Die Impfungen gegen Corona sollen massiv ausgeweitet werden.
Baden-Württemberg verschärft die Regelungen von Samstag an nochmals. Dann müssen Geimpfte und Genesene beim Restaurantbesuch zusätzlich einen negativen Test vorweisen. Zudem verbietet die Landesregierung alle Großveranstaltungen.
Der Verkauf von Böllern und Feuerwerk zu Silvester wird bundesweit untersagt. Der Verband der pyrotechnischen Industrie spricht von einem "Todesstoß für die gesamte Feuerwerksbranche in Deutschland".
se/as (dpa, rtr, afp)