Kritik am Nein der Union wächst
26. Mai 2015"Eine kulturelle Revolution" nennt Linken-Fraktionschef Gregor Gysi in der "Süddeutschen Zeitung" das Referendum der Iren zur vollständigen Gleichstellung. Das Bundeskabinett will am Mittwoch rechtliche Verbesserungen für schwule und lesbische Partnerschaften beschließen. "Nun darf es in Deutschland kein Zögern mehr geben: Unverzüglich müssen wir nachholen, was die Iren uns vorgemacht haben", forderte Gysi. "Die kulturelle Erziehung der Union muss Schwung bekommen." Damit spielt er auf die Ablehnung der völligen Ehe-Gleichstellung durch die Union aus CDU/CSU an.
Die Iren legten mit ihrem Volksentscheid offen, "wie rückständig Deutschland bei der Gleichstellung" sei, obwohl es nach der Schaffung der eingetragenen Lebenspartnerschaften unter Rot-Grün 2001 einen Spitzenplatz inne gehabt habe, sagte Grünen-Chefin Simone Peter der "Süddeutschen Zeitung". Nun müsse auch Deutschland anderen Staaten in Europa wie Frankreich, Großbritannien oder Spanien nachfolgen und die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen.
Der SPD-Familienexperte Sönke Rix verwies auf die Festlegung im Koalitionsvertrag, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften "Respekt und Anerkennung" erfahren sollten. Die SPD stehe bereit, dies gemeinsam mit dem Koalitionspartner mit konkretem Inhalt zu füllen. Dies entspreche auch in Deutschland der Überzeugung der Menschen.
"Unambitionierter" Gesetzesentwurf
Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck kritisierte den Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas, der im Kabinett beraten werden soll, als "unambitioniert". 150 Regelungen in 54 Gesetzen behandelten Lebenspartnerschaft und Ehe gegenwärtig unterschiedlich, erklärte Beck. Nur 23 davon wolle der Justizminister nun angleichen. Der Entwurf von Maas sieht Verbesserungen für Schwule und Lesben vor, die im Ausland eine Partnerschaft eingehen wollen. Zudem sind unter anderem Reformen beim Asylverfahrensgesetz oder den Leistungen für Vertriebene vorgesehen. Beim Adoptionsrecht wird es aber weiterhin eine Ungleichbehandlung geben.
Unterdessen beginnt auch innerhalb der Union eine Debatte über den Umgang mit der Ehe gleichgeschlechtlicher Paare. Der Münchner CSU-Bundestagsabgeordnete Bernd Fabritius sagte dem "Münchner Merkur": "Auch in unserer Partei schärft sich das Verständnis für gesellschaftliche Realitäten." Auch der Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak machte sich für ein Umdenken stark. "Wenn zwei Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, sich versprechen, in guten wie in schlechten Zeiten füreinander einzustehen, dann ist das etwas Gutes für Staat und Gesellschaft - und nicht so sehr etwas, das am Geschlecht hängt", sagte Luczak der Deutschen Welle. Zuvor hatte sich auch das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn für eine Reform nach irischem Vorbild ausgesprochen.
Aus der Union kam aber auch erneuter Widerstand gegen die mögliche Gleichstellung. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl wandte sich in der "Frankfurter Rundschau" gegen eine Abstimmung ohne Fraktionszwang, wie sie die Gleichstellungsbeauftragten der Bundesregierung, Christine Lüders, vorgeschlagen hatte. Das Parlament müsse berechenbar bleiben und dürfe nicht mit Zufallsmehrheiten operieren, sagte er. Der CSU-Parlamentsgeschäftsführer Max-Straubinger sagte dem Westdeutschen Rundfunk, die Entscheidung in Irland werde auf die Haltung der Union keinen Einfluss haben. "Das lässt mich unbeeindruckt", sagte er dem Sender.
Kirchliche Positionen zur Gleichstellung
Zu der Frage, ob homosexuelle Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichgestellt werden sollten, existieren auch in den Kirchen Deutschlands unterschiedliche Haltungen. Die katholische Kirche lehnt eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ab. Der Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Hauschildt, sagte, die EKD begrüße es, "wenn homosexuelle Paare die Möglichkeit erhalten, ihre Beziehung auf einer auf Dauer und Verlässlichkeit angelegten Form offen zu leben". Er verwies in diesem Zusammenhang jedoch auch auf das Adoptionsrecht: Bei Adoptionen dürfe nicht der Wunsch von Erwachsenen, sondern düsse das Wohl der Kinder der entscheidende Gesichtspunkt sein. In der EKD sei der Meinungsbildungsprozess darüber, was diese Perspektive für die Forderung nach einer vollständigen Gleichstellung der Homo-Ehe bedeute, noch nicht abgeschlossen, so der Vizepräsident.
Die Deutsche Bischofskonferenz betonte, die katholische Kirche in Deutschland habe mit Blick auf eine Gleichstellung der Homo-Ehe schon in der Vergangenheit erklärt, "dass ihr diese Forderung zu weit geht". Bezugspunkt des Rechtsinstituts der Ehe sei "nicht nur die Partnerschaft zwischen Frau und Mann", sondern "auch das Ehepaar, das Elternpaar geworden ist und Sorge und Verantwortung für Kinder trägt."
Es gehöre zur Grundstruktur des verfassungsrechtlichen Eheverständnisses, dass die Ehe von einer Frau und einem Mann eingegangen wird, argumentierte die Bischofskonferenz. "Ehe und Familie sind wesenhaft miteinander verknüpft." Der Verzicht auf das geltende Strukturmerkmal "Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner" könne dazu beitragen, das bisherige Eheverständnis um eine wesentliche Dimension zu verkürzen.
pab/stu (dpa, epd, kna)