Die Kritik bleibt
5. Mai 2010Tewolde Berhan Gebre Egziabher ist Träger des alternativen Nobelpreises. Die Vereinten Nationen haben ihn 2006 zum "Champion der Erde" gekürt. Für den Champion waren die drei Tage auf dem Petersberg noch lange nicht das Ende der Verhandlungseiszeit, sondern bestenfalls "der Beginn des Heilungsprozesses nach dem Desaster von Kopenhagen". Der ehemalige Biologieprofessor war beim großen Knall von Kopenhagen dabei, als sich die Weltgemeinschaft heillos über ein verbindliches Klimaschutzabkommen zerstritt.
Chinas schwierige Rolle
Der 70-Jährige könnte stundenlang über die Blockade bei den Klimaverhandlungen diskutieren. Er hat hautnah miterlebt, wie sich beim Weltklimagipfel im Dezember 2009 vor allem die USA und China gegenseitig blockiert haben, und wie sich die Staatsoberhäupter und Regierungschefs gestritten haben.
Der Äthiopier fand den Umgang des Westens mit China in Kopenhagen sehr unfair. "Schauen wir uns die vielen Millionen Chinesen an, die immer noch in Armut leben. Wir dürfen China nicht mit dem gleichen Maßstab messen wie die reichen Vereinigten Staaten oder Europa." Die USA und die EU müssen beim Klimaschutz vorlegen, daran lässt der Träger des alternativen Nobelpreises keinen Zweifel.
Äthiopien war in Kopenhagen die Stimme Afrikas. Egziabher war und ist einer der wichtigsten Köpfe des äthiopischen Verhandlungsteams. Seine Behörde ist gleichzusetzen mit einem Umweltministerium. "An unserer Kritik hat sich seit Kopenhagen nichts geändert. Die Vereinbarung von Kopenhagen schließt nicht alle ein." Das sei auch beim Klimadialog auf dem Petersberg nicht anders gewesen.
Wichtige Fragen bleiben ungeklärt
Beim Petersberger Klimadialog fehlten Staaten wie die linksregierten Länder Lateinamerikas. Diese sogenannte Alba-Gruppe um Venezuela, Bolivien und Kuba hatte den Widerstand der Entwicklungsländer gegen die Industriestaaten beim Gipfel in Kopenhagen organisiert.
Zudem seien die wirklich heißen Eisen nicht angefasst worden. Wer muss seinen CO2-Ausstoß um wie viel reduzieren? Wer hilft den Entwicklungsländern beim schwierigen Anpassungsprozess? Wer kontrolliert die Einhaltung der Reduktionsziele? Wer überwacht den Fluss des versprochenen Geldes und den Austausch moderner, klimafreundlicher Technik? Und was bedeutet beim Klimaschutz eigentlich rechtlich verbindlich?
Äthiopien verlangt viel mehr, als die etablierten Industriestaaten derzeit anbieten. Nicht nur, "weil diese hauptverantwortlich sind für den Klimawandel", sagt Egziabher, sondern auch, "weil sie die Finanzmittel und die Wirtschaftsmacht haben". Als Beispiel nennt er den Technologietransfer von Nord nach Süd, der aus seiner Sicht am geistigen Eigentum scheitert. "Wenn der Schutz des geistigen Eigentums und Patentrechte unbedingt sein müssen, dann müssen wir uns eben überlegen, wer die Rechnung bezahlt, so dass trotzdem alle die neuen Technologien leicht erreichen und schnell nutzen können." Aber davon sei die Welt noch genauso weit entfernt wie von einem globalen Abkommen, das die Erderwärmung bis zum Ende dieses Jahrhundert auf maximal zwei Grad begrenzt. Diese zwei Grad gelten wissenschaftlich als gerade noch beherrschbar.
Nicht ablenken lassen!
"Wir verdrängen die globale Krise einfach, weil wir uns gerade auf die kleine griechische Krise konzentrieren, so ernst sie auch ist." Mit dieser Einstellung eckt der Äthiopier bei den Europäern an. Aber er beharrt darauf, dass die akute Bedrohung der Biosphäre immer durch aktuelle Krisen wie die in Griechenland verdrängt werde. "Der Klimawandel bedroht die gesamte Menschheit, die griechische Krise bedroht vor allem den Wechselkurs der Eurozone."
Er denkt dabei auch an seine Heimat. Äthiopien. Die habe ein unglaubliches Potenzial für erneuerbare Energien: Windkraft, Sonnenkraft, Wasserkraft, geo-thermische Energie. Alles sei da, aber Äthiopien brauche Investitionen, um das Potenzial auszuschöpfen. Gebre Egziabher hofft auf die neue Kooperation mit Deutschland, die auf dem Petersberg verabredet wurde. "Für Deutschland könnte das eine vergleichsweise kleine Investition sein, die aber einen großen Unterschied macht. Sie würde nicht nur Äthiopien dabei helfen, CO2-neutral zu produzieren, sondern sie würde die ganze Region auf den richtigen Weg bringen."
Für den nächsten Klimagipfel im mexikanischen Cancún Ende 2010 erwartet der Chef der äthiopischen Umweltbehörde keinen Durchbruch. In Teilbereichen wie beim Schutz der Tropenwälder seien konkrete Fortschritte zu erwarten. Aber die Menschheit verweigere sich weiter hartnäckig der Einsicht, dass ihr Überleben auf dem Spiel stehe. "Die Biosphäre wäre über das Ende der Menschheit bestimmt sehr glücklich", fügt er augenzwinkernd hinzu.
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Kay-Alexander Scholz