Krisengipfel zum Terror in der Sahelzone
10. Januar 2020Die beschauliche Stadt Pau am Fuße der Pyrenäen im Südwesten Frankreichs wird zum Schauplatz für politische Debatten: Am Montag setzen sich dort die Staatschefs der fünf afrikanischen Länder Mali, Niger, Burkina Faso, Mauretanien und Tschad zu Gesprächen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zusammen. Bei dem dreistündigen treffen steht ein Thema im Vordergrund: Der Anti-Terror-Kampf in der Sahelzone. Aber es geht nicht nur um die französische und westafrikanische Sicht. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres, EU-Ratspräsident Charles Michel und der Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union Moussa Faki sind zum anschließenden Arbeitsessen eingeladen.
Stabilität im Sahel ist auch für Europa wichtig
Das Ziel: Eine neue, gemeinsame Strategie für die Militärmissionen in Westafrika zu beschließen. Seit 2014 sind französische Soldaten im Rahmen der Militärmission Barkhane in Westafrika stationiert. Die fünf Staaten am südlichen Rand der Sahara haben 2018 eine eigene gemeinsame Eingreiftruppe mit 5000 Soldaten aus allen fünf Ländern gegründet. Auch die Vereinten Nationen sind mit ihrer Mission MINUSMA in Mali. Doch bei der Koordination hapert es, Unfälle und Angriffe mit Toten erschüttern regelmäßig das Vertrauen in die Missionen.
"Die bisherigen militärischen Einsätze und Kämpfe gegen den dschihadistischen Terror in der Sahelzone reichen nicht aus, das Problem muss stärker angegangen werden", sagt Paul Melly, Westafrika-Experte beim Londoner Institut Chatham House. "Das ist allen beteiligten Regierungen, aber auch ihren internationalen Partnern klar." Dabei geht es nicht nur um die Interessen der direkt beteiligten Staaten. "Länder der europäischen Union haben auch zugesagt, die französischen Truppen zu unterstützen. Denn die Stabilität in der Sahelzone ist das fundamentale Interesse Europas - für die eigene Sicherheit, nicht nur für Westafrika", betont Melly. Der Süden Europas grenze fast an die Sahelzone, fügt er an.
Widerstand gegen französische Militärpräsenz
Doch in Westafrika wächst der Widerstand gegen die militärische Mission der Franzosen. "Das ist ein großes Problem", sagt Melly. "Gerade weil es um die ehemalige Kolonialmacht geht. Das verschärft den Konflikt." Aber Frankreich sei als einziges europäisches Land bereit, viele Truppen und modernste Waffen, Jets und Geräte zu liefern, die afrikanische Länder nicht besitzen.
Im November kam es bei einem Kampfeinsatz gegen Dschihadisten zu einem Unfall in Mali: Zwei französische Kampfhubschrauber stießen zusammen, 13 französische Soldaten starben. Im Dezember wurden 71 afrikanische Soldaten bei einem islamistischen Angriff auf eine Militärbasis im Westen Nigers getötet.
"Nach den Verlusten, die wir in den verschiedenen Ländern und bei der Operation Barkhane hinnehmen mussten, wurde es nötig sich zusammenzusetzen und zu schauen, ob wir den Kurs ändern oder korrigieren müssen", sagte Soumeylou Boubèye Maïga, ehemaliger Premierminister Malis, im Dezember. "Wir alle wissen, dass der Kampf gegen den Terror im Sahel nicht leicht ist, dass er sehr nah an der Bevölkerung stattfindet und damit auch einen starken Einfluss auf die öffentliche Meinung hat." Und die spielt eine wichtige Rolle.
Ausländische Truppen im Land rechtfertigen
"Präsident Macron hofft, dass die Länder der Sahelzone sich öffentlich zu der französischen Militärpräsenz bekennen und deren Einsatz anerkennen", sagt Westafrika-Experte Melly. Denn Macron müsse auch Zweifel der Franzosen an der Militärmission in Westafrika beschwichtigen. "Aber diese Länder sind Demokratien, deren Präsidenten auch Wahlkämpfe bestreiten wie zum Beispiel in Kürze in Burkina Faso und Niger. Da ist es nicht leicht, ausländische Truppen im Land zu rechtfertigen."
Dazu kommen Vorwürfe, dass Macron die afrikanischen Staatschefs nach Frankreich "bestelle". Diese Entscheidung für den Gipfel in Pau sei direkt nach dem Hubschrauber-Absturz in Mali gefällt worden, sagt Melly. Die getöteten Soldaten stammten aus der Garnisonsstadt Pau, ihnen will Macron mit seinen afrikanischen Amtskollegen gedenken.
Macron habe aber durchaus versucht, den Groll in den westafrikanischen Zivilgesellschaften zu besänftigen, habe auch in Afrika den verstorbenen Soldaten an ihren Gräbern in Niger Respekt gezollt und das politische Klima habe sich verbessert, sagt Melly.
Aufruf zu Solidarität
Aber nicht jeder ist überzeugt: Moussa Tchangari vertritt die Zivilgesellschaft in Niger und sagte vor dem Besuch Macrons im Dezember: "Egal, welche Geste er macht, Macron wird als derjenige angesehen, der von seinen Partnern im Sahel verlangt hat, kritische Äußerungen über die Anwesenheit ausländischer Truppen zu verhindern. Er wird als derjenige angesehen, der auf härteres Durchgreifen im Sahel drängt." Zuvor hatten Behörden in seinem Land eine Demonstration gegen französische Truppe im Sahel verboten.
Ahmedou Ould Abdallah, ehemaliger Außenminister Mauretaniens, sieht auch die afrikanischen Regierungen in der Pflicht: Sie müssten das politische Feld öffnen, für die Zivilgesellschaft und die Oppositionsparteien, sagte er kürzlich in einem DW-Interview. "Ich wiederhole es immer wieder: Wenn die Radikalen solidarisch sind, müssen wir in unseren Ländern auch solidarisch sein, und das durch eine patriotische und gemeinsame Front zeigen. Die Regierung und die Wirtschaft müssen sich allen Bevölkerungsschichten gegenüber öffnen." Gleichzeitig müsse die Armee professioneller aufgestellt werden. Er ist überzeugt: "Für diesen Kampf werden wir einen langen Atem brauchen."
Mitarbeit: Carole Assignon, Fréjus Quenum, Sandrine Blanchard