Latino-Gipfel ohne Ergebnis
26. Juli 2014"Das ist eine unglaublich gefährliche Situation", hatte US-Präsident Obama angesichts der ansteigenden Zahl von minderjährigen Migranten an der mexikanischen Grenze gewarnt. Als er dies vor einem Monat feststellte, hätte er wohl nicht gedacht, dass dies mittlerweile auch für ihn persönlich gilt. Die drei Präsidenten aus Honduras, Guatemala und El Salvador trafen jetzt auf einen Gastgeber, für den sich der Ansturm von mehr als 50.000 Kindern und Jugendlichen in diesem Jahr zu einer politisch hochbrisanten Konstellation entwickelt hat.
Gipfel soll neue Impusle bringen
Ohne Zweifel kann man den zentralamerikanischen Gipfel im Weißen Haus als den jüngste Versuch Obamas deuten, die Situation an der Grenze zu entschärfen, aber auch die sich daran entfachende innenpolitische Diskussion.
Das Treffen habe eine wichtige Funktion gehabt, erklärte Dan Restrepo vom Center for American Progress. Dies sei der dringend benötigte Startschuss für ein intensiveres Management der Krise gewesen. "Das ist kein Problem, das man ein- und ausschalten kann. Es kann nicht in einer kurzen Zeit gelöst werden, sondern die Dynamik und die komplexen Umstände dieses Problems müssen dauerhaft bearbeitet werden." In den USA und den drei betroffenen Staaten - aber auch zwischen ihnen - werde es jetzt auf hoher diplomatischer Ebene weitere Gespräche geben. Restrepo erwartet, dass sich Vizepräsident John Biden, der im Weißen Haus mit dabei war, künftig regelmäßig einschaltet.
Obama unter Trommelfeuer
Carl Meacham vom Washingtoner Thinktank Center for Strategic and International Studies sieht hier durchaus Nachholbedarf für sein Land: "Die Politik der USA in dieser Region war unbeständig, es gab nicht viel Engagement und das ist ein Teil des Problems." Aber es ist fraglich, ob der Gipfel mit seinen wenig greifbaren Ergebnissen Obama in der innenpolitischen Diskussion entlastet. Das fortgesetzte Trommelfeuer der republikanischen Opposition, die hausgemachte Fehler Obamas für die humanitäre Krise an der Südgrenze verantwortlich macht, zeigt Wirkung. Die Entsendung der texanischen Bürgerwehr durch den örtlichen Governeur an die mexikanische Grenze und eine von Obama selbst in Auftrag gegebene Prüfung eines Einsatzes der Nationalgarde zeugen von der Erregtheit der Debatte.
Hilfesuchende mit Härte abschrecken
Der republikanische Kongressabgeordnete Charlie Dent aus Pennsylvania, in dessen Wahlkreis Notunterkünfte für die Kinder errichtet wurden, formulierte denn auch gegenüber der Deutschen Welle, was die Republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus von dem Treffen erwartete: "Präsident Obama muss sehr deutlich machen, dass diese Kinder zurückgeschickte werden." Obama hat tatsächlich Härte gezeigt, mit schnellen Abschiebungen gedroht und die jüngst rückläufigen Migrantenzahlen als erste Erfolge gedeutet.
Weit schwerer tut er sich mit einer anderen Forderung: Obama solle "den Präsidenten dieser Länder auch sagen, dass wir in den USA das Gesetz ändern werden", um die Kinder umgehend zurückweisen zu können, fordert Dent. Doch dazu müßte ein Gesetz geändert werden, das George W. Bush unterzeichnet hat und minderjährigen Migranten etwa aus Zentralamerika das Recht auf eine gerichtliche Anhörung garantiert. Dazu dürften Obama und die Demokraten nicht bereit sein.
Mitschuld der USA
Noch bevor die drei Präsidenten aus Honduras, Guatemala und El Salvador mit Präsident Obama zusammenkamen, sorgten sie mit Interviews und Auftritten in Washington für Zündstoff. Der Tenor: Die USA seien mitschuldig am gegenwärtigen Exodus unbegleiteter Minderjähriger, die von verbrecherischen Organisationen in die USA geschleust würden. Carl Meacham vom Center for Strategic and International Studies räumt zumindest eine Mitverantwortung der USA ein: "Ich glaube wir haben eine geteilte Verantwortung. Es stimmt, dass die Vereinigten Staaten ein großer Abnehmer von Drogen sind. Auf der anderen Seite ist es deren Verantwortung, die notwendige Sicherheit zu schaffen.“
Zur Zeit gelten die drei Länder als Hochburgen für Kriminalität, was die Kinder und Jugendlichen aus dem Land treibt. "Ich habe mit einem fünfjährigen Mädchen gesprochen. Sie kam unbegleitet von Zentralamerika nach USA", erzählt der Kongressabgeordnete Dent. "Sie wusste nicht, wie man schwimmt, überquerte gefährliche Flüsse, fuhr auf dem Dach eines Zuges nach Mexiko und die USA."
Kein Nothilfeprogramm
Dents Republikanische Partei hat sich bisher geweigert, das von Präsident Obama gewünschte Nothilfeprogramm in Höhe von 3.7 Milliarden Dollar zu bewilligen, mit dem bessere Notunterkünfte, mehr Immigrationsrichter und eine verstärkte Sicherung der Grenze ermöglicht werden sollte. Kritisiert wurde auch ein angedachtes Pilotprojekt der Obama-Regierung, hilfesuchenden Kindern bereits im Herkunftsland den Flüchtlingsstatus zu gewähren und ihnen damit die gefährliche Reise in die USA zu ersparen. Die Totalopposition der Republikaner sei eine der größten Herausforderungen, sagt Carl Meacham. "Die Störungen im politischen System sind neben der aktuellen Grenzkrise die andere große Hürde. Wenn wir nicht in der Lage sind, im Konsens zu handeln, wird nicht nur die Situation an der Grenze schlimmer werden, sondern auch das Chaos in den zentralamerikanischen Ländern."