Krise in Spaniens Fußball vor der WM
14. April 2023Wenn man zwei Jahre in Folge die beste Spielerin der Welt in seiner Nationalmannschaft hat, geht man erwartungsgemäß als einer der Favoriten in eine Weltmeisterschaft. Doch selbst mit der mehrfachen Ballon-d'Or-Gewinnerin Alexia Putellas, die nach längerer Verletzungspause wegen eines Kreuzbandrisses kurz vor der Rückkehr auf das Spielfeld steht, bleibt Spanien eine Mannschaft im Umbruch. Im September 2022, nur wenige Wochen nach dem überraschenden Ausscheiden Spaniens bei der Europameisterschaft im Viertelfinale gegen England, gaben 15 Nationalspielerinnen bekannt, dass sie "nicht mehr für die Auswahl zur Verfügung stehen".
Es war der Höhepunkt in einem chaotischen öffentlichen Hin und Her. Zunächst hatte der spanische Fußballverband (RFEF) eine Erklärung veröffentlicht, in der es hieß, er habe eine E-Mail von den 15 Spielerinnen erhalten, in der sie die Entlassung von Cheftrainer Jorge Vilda forderten. Daraufhin teilten die Spielerinnen, darunter Mapi Leon, Aitana Bonmatí, Mariona Caldentey und Sandra Panos vom FC Barcelona, in den sozialen Medien eine gemeinsame Nachricht. Darin erklärten sie, dass sich Vildas Führungsstil seit einiger Zeit negativ auf ihren "emotionalen Zustand" und ihre "Gesundheit" auswirke, ihre Bedenken beim Verband bisher aber auf taube Ohren gestoßen seien.
Putellas, die ebenfalls für den FC Barcelona spielt und sich zu diesem Zeitpunkt am Anfang einer langen Rehabilitation befand, gehörte nicht zu den Unterzeichnerinnen der Erklärung. Sie ließ offen, ob sie ebenfalls nicht für die Nationalelf zur Verfügung steht. Putellas zeigte jedoch ihre Unterstützung für die 15 abtrünnigen Spielerinnen, indem sie deren Erklärung auf Instagram teilte.
Im März äußerte sich Putellas dann zum ersten Mal öffentlich zum Thema: "Wir sind keine Rebellinnen. Es ist anstrengend, ständig Verbesserungen zu fordern, damit wir besser abschneiden", sagte sie in einem Interview mit dem TV-Sender beIN Sports. "Es ist ein Problem zwischen den Spielerinnen und dem Verband. Private Gespräche sind durchgesickert, und diese Situation ist für niemanden von Vorteil. Es ist anstrengend, ständig nach Verbesserungen zu fragen. Die Verantwortlichen sollten unsere Bedingungen verbessern, ohne dass wir ständig darum bitten müssen."
Patt mit ungewissem Ausgang
Seit acht Monaten befinden sich die 15 Spielerinnen und der Verband in einer Pattsituation, in der jeder darauf wartet, dass die andere Seite den ersten Schritt macht. Die Entscheidung des RFEF, Nationaltrainer Vilda zu unterstützen, scheint nicht von den Ergebnissen des Teams abzuhängen. In den letzten Jahren schnitt Spanien bei den Großereignissen eher enttäuschend ab. Seitdem der heute 41 Jahre alte Vilda 2015 den Posten übernahm, erreichte die Mannschaft bei den Europameisterschaften 2018 und 2022 lediglich das Viertelfinale, bei der WM 2019 in Frankreich schied sie bereits im Achtelfinale aus.
Während des nun laufenden Streits war Vilda gezwungen, für die letzten beiden WM-Qualifikationsspiele im vergangenen September und die fünf darauf folgenden Freundschaftsspiele mehrere unerfahrene Spielerinnen aufzubieten. Spanien gewann sechs der sieben Spiele, präsentierte sich jedoch alles andere als in weltmeisterlicher Form. So ließ Vildas Team beim jüngsten 3:0-Sieg gegen China auf Ibiza durch Abwehrfehler viele Chancen der Gegnerinnen zu.
Vildas Antwort auf die Frage der DW, wie er den Zustand seines aktuellen Kaders vor der Bekanntgabe des spanischen WM-Teams im Juni einschätzt, war aufschlussreich. "Wir wollen Zusammenhalt sehen sowie Lust und Motivation, in der Nationalmannschaft zu spielen. Und vor allem Stolz darauf, Teil der Mannschaft zu sein, jedes Mal, wenn man das Trainingstrikot anzieht", sagte Vilda in Anspielung auf die 15 abtrünnigen Spielerinnen.
Fans geteilter Meinung über Streit
Die Meinungen der spanischen Fans zu Vilda gehen auseinander. Alle plädieren jedoch dafür, die Situation vor der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland, die am 20. Juli beginnt, zu klären. "Ich denke, es sind interne Probleme mit dem Trainer. Der Verband sagt das eine, die Spielerinnen sagen etwas anderes. Niemand von uns weiß, was wirklich passiert ist", sagte ein männlicher Fan der DW. "Für die Weltmeisterschaft werden sie eine Lösung finden, und die besten Spielerinnen werden dabei sein. Aber auch die jetzt eingesprungenen Spielerinnen haben sehr gut gespielt, also haben wir auch einen guten Plan B."
"Es hat viel Wirbel gegeben, aber niemand hier kennt die absolute Wahrheit", sagte ein weiblicher Fan. "Es ist gut, dass die Spielerinnen sich äußern, aber vielleicht haben sie es nicht auf die beste Art und Weise getan. Sie hätten es unter vier Augen klären sollen."
Wie entscheidet sich Alexia Putellas?
Die Fans sind sich einig, dass die Rückkehr Putellas' entscheidend für den Erfolg des Teams sein wird. "Ich hoffe, sie sagt nicht Nein zur Nationalmannschaft und kehrt mit Lust zurück", sagte eine junge Anhängerin der DW. Ein anderer Fan räumte ein, dass Putellas Nichtberücksichtigung im WM-Kader für Aufsehen sorgen würde: "Denn sie ist eine sehr gute Spielerin."
Alle sind gespannt darauf, ob sich Putellas den 15 Unterzeichnerinnen anschließen wird, an deren Seite sie jahrelang gespielt hat - oder ob sie zu ihrer möglicherweise letzten Weltmeisterschaft reisen wird. Die 29-Jährige ist gerade erst wieder voll ins Training mit dem FC Barcelona eingestiegen. Von der Entscheidung der besten Spielerin der Welt hängt viel ab - nicht zuletzt die WM-Chancen Spaniens.
Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.