Kriminalität in Budapest geringer als in Hamburg oder Wien
25. Juni 2003Budapest, 25.6.2003, PESTER LLOYD, deutsch
Ungarischen Kriminologen zufolge ist die Anzahl der Kriminaldelikte in Hamburg doppelt so hoch wie in Budapest, in Wien beträgt sie das Anderthalbfache. Die Fachleute beziehen sich dabei auf eine internationale, derzeit noch nicht beendete und ausgewertete Studie, die vorsieht, auch Krakau einzubeziehen. Budapest steht damit im europäischen Vergleich gar nicht so schlecht da.
Entgegen der weitverbreiteten Auffassung lebt man in der Hauptstadt im Allgemeinen sicherer als in kleineren Ortschaften des Landes. Auch sei die verbreitete Meinung, dass besonders ältere, alleinstehende Frauen gefährdet seien, ein Irrtum: Das (statistisch) typische Opfer einer Kriminaltat in Ungarn sei ein Mann zwischen 25 und 35 Jahren. Die meisten Kriminaldelikte geschehen am Tage, in der Nacht passiert nur sehr wenig. Die Angst, umgebracht zu werden, hegen viele Menschen, aber die Zahl der Mordfälle ist in Ungarn mit 200 bis 300 Fällen pro Jahr seit über vier Jahrzehnten konstant niedrig.
Anders bei Korruptionsfällen, von denen es jährlich zwar nur einige hundert gibt, die vor Gericht kommen, es aber angenommen wird, dass die Dunkelziffer das Vielfache davon beträgt. Zu einer Anzeige, die zu einer Belastung beider beteiligten Seiten führen kann, kommt es deshalb nur selten.
Im Licht dieser paradoxen Lage wird in diesen Monaten die erste repräsentative Untersuchung über die Opfer von Kriminalität durchgeführt. Das Landesamt für Kriminologie, eine staatliche, der Obersten Staatsanwaltschaft unterstellte Institution, wertet die von Gallup durchgeführten Befragungen von 10.000 Menschen in 450 Ortschaften des Landes aus. Dabei ist man bemüht, möglichst offene Antworten zu erhalten; so besteht die Möglichkeit, "heikle" Fragen schriftlich in einem geschlossenen Kuvert zu beantworten.
In den vergangenen fünf Jahren betrug die Zahl der Kriminaltaten, die zu Lasten von Personen gingen, im Durchschnitt 300.000. Allerdings wird auch in internationalen Erhebungen davon ausgegangen, dass die wahre Zahl das Zwei- bis Dreifache davon beträgt. Wegen des verhältnismäßig geringen Schadens erstatten viele keine Anzeige oder scheuen den Aufwand, an Verhandlungen teilzunehmen. Besonders in den Fällen, in denen nur wenig Hoffnung besteht, dass der Täter gefasst bzw. der Schaden ersetzt wird. In der Wirtschaft wiederum bleibt eine Anzeige oft aus, weil der Betroffene (wie etwa eine von einem Betrugsfall geschädigte Bank) diese unterlässt, um eine Rufschädigung zu vermeiden.
Die durch Kriminaldelikte verursachte Schadensumme zu Lasten von Privatpersonen summiert sich in Ungarn jährlich auf durchschnittlich 40 bis 50 Mrd. Ft. (ca. 153,8 bis 192,2 Millionen Euro – MD), doch gab es schon Jahre, in denen sie deutlich höher (bis zu 80 Mrd. Ft. (ca. 307,5 Millionen Euro – MD)) lag. Wie festgestellt wurde, werden nur 30 bis 40 Prozent dieser Schäden durch die Versicherung behoben bzw. durch das Auffinden der gestohlenen Güter wiedergutgemacht.
Eine derartige, umfassende Aufstellung über die Opfer von Kriminalität wird in Ungarn das erste Mal durchgeführt und soll der Regierung als Basis für neue, gezielte Anstrengungen gegen die Kriminalität dienen und jährlich wiederholt werden. Erste detaillierte Ergebnisse werden im Sommer nächsten Jahres erwartet. (fp)