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Krim-Szenario in Ostukraine unwahrscheinlich

Mikhail Bushuev / Markian Ostaptschuk9. April 2014

Droht eine Wiederholung des Krim-Szenarios im Osten der Ukraine? Zwischen der Krim und den ostukrainischen Regionen gibt es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten, sagen Experten.

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Pro-russische Proteste im ukrainischen Donezk (Foto: EPA/PHOTOMIG)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Forderung nach einem Referendum über die Unabhängigkeit der "Volksrepublik Donezk", die eine Gruppe Separatisten in dem von ihr besetzten Gebäude der Donezker Regionalverwaltung ausgerufen hat, erinnert viele Beobachter an die Ereignisse auf der Krim. Doch kann man die Situation auf der Krim und im Osten der Ukraine vergleichen?

Portrait von Susan Stewart (Foto: DW)
Susan Stewart weist auf Bevölkerungsunterschiede hinBild: DW

"Ich sehe mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen der Krim und dem Osten der Ukraine. Die Krim ist in vieler Hinsicht ein Sonderfall", sagte Susan Stewart von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gegenüber der Deutschen Welle. Vor allem die Bevölkerung auf der Halbinsel sei anders zusammengesetzt als im Osten. "Auf der Krim leben mehrheitlich ethnische Russen. Über 80 Prozent der Menschen geben Russisch als Muttersprache an", so die Expertin. Viele der Krim-Bewohner seien aus Russland oder anderen russisch geprägten Teilen der damaligen Sowjetunion eingewandert. "Es sind viele Militärs und viele von ihnen sind jetzt im Ruhestand", so Stewart.

Infografik Autonome Republik Krim (Grafik: DW)

Laut der Volkszählung aus dem Jahr 2001 stellen Russen nirgendwo sonst in der Ukraine die Bevölkerungsmehrheit. Auch im Osten und Süden des Landes leben Menschen mit hauptsächlich ukrainischen Wurzeln. Im Charkiw bezeichnen sich 26 Prozent als Russen, in Donezk sogar 38 Prozent.

Kaum Separatismus im Osten

Auch die polnische Soziologin Joanna Fomina sieht wesentliche Unterschiede zwischen der Krim und dem Osten der Ukraine. Die östlichen Gebiete seien viel stärker auf die Ukraine ausgerichtet, sagte sie der DW. Ihr zufolge sehen die Menschen in Donezk und anderen östlichen Gebieten die derzeitige Entwicklung im Lande kritisch. "Doch sie fühlen sich als Ukrainer. Diese Identifikation ist ziemlich stark", so Fomina. Auf der Krim sei dieses Gefühl deutlich schwächer ausgeprägt.

Portrait von Joanna Fomina (Foto: DW)
Joanna Fomina: Die meisten Menschen im Osten fühlen sich als UkrainerBild: DW/N. Jolkver

Die Soziologin betont, dass die Präferenz für die russische Sprache in den östlichen und südlichen Regionen der Ukraine nicht mit einer größeren Verbundenheit mit Russland gleichzusetzen sei. In ihrer Studie "Language, Identity, Politics - The Myth of Two Ukraines", die Fomina gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung in Berlin vorgestellt hat, belegt sie mit Meinungsumfragen, dass die Zustimmung der Ukrainer für eine Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland nicht gleich den Wunsch bedeute, sich von der Ukraine abzuspalten und Russland anzuschließen. Umfragen hätten in keiner ukrainischen Region bedeutende separatistische Stimmungen bestätigt. Die Unterstützung für eine Teilung des Landes liege im Osten und Süden nur zwischen elf und 13 Prozent.

Susan Stewart hält es ebenfalls für unwahrscheinlich, dass im Osten und Süden der Ukraine viele Menschen eine Abspaltung von der Ukraine wollen. "Meine Vermutung ist, dass es hauptsächlich Aktivisten aus Russland sind. Sie aktivieren die Leute im Osten und Süden, die gute Beziehungen zu Russland nicht verlieren wollen und die vom Maidan enttäuscht waren", so die SWP-Expertin.

Wirtschaftliche Unterschiede

Stewart weist ferner darauf hin, dass sich die Krim auch aus wirtschaftlicher Sicht grundlegend vom Gebiet Donezk unterscheidet. "Die Krim hat in der Regel Gelder aus Kiew erhalten. Sie war wirtschaftlich gesehen eine Last, obwohl dort Tourismus und Landwirtschaft zum Teil entwickelt sind", sagte sie der DW.

Wirtschaftlich bedeutender sei der Osten des Landes, vor allem das Gebiet Donezk, das zum Staatshaushalt beitrage. "Im Osten hat man die ganze Schwerindustrie. Sie ist einerseits wichtig, aber andererseits sind viele von diesen Unternehmen nicht modernisiert und nutzen noch sowjetische Technik", so Stewart. Deswegen sei diese Region zwar wichtiger als die Krim, aber wegen der Struktur ihrer Industrie nicht unproblematisch.

Kreml will Destabilisierung

Doch was haben die Ereignisse auf der Krim und die in den südöstlichen Regionen der Ukraine gemein? Sie ermöglichen es Russland, die Lage in Kiew zu destabilisieren, glauben die Experten. "Ich bin mir nicht sicher, dass die russische Seite einen genauen Plan hat. Ich habe eher den Eindruck, dass sie schaut, was am einfachsten geht", so Stewart. Einfach sei die Annexion der Krim gewesen. Jetzt schaue Moskau, ob ein solches Szenario auch im Osten und Süden funktioniere oder ob man auch ohne militärische Mittel die Ukraine im russischen Interesse destabilisieren könne.

Aus Stewarts Sicht will Russland eine stabile Führung in Kiew verhindern, die eine EU-Annäherung verfolgen und mit Hilfe des Westens wirtschaftliche Erfolge erzielen würde. Die Expertin schließt deswegen nicht aus, dass der Kreml versuchen wird, die für den 25. Mai geplanten Präsidentschaftswahlen in der Ukraine zu stören.