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Kriegsverbrechertribunale: Von Nürnberg bis Bagdad

Henrik Hübschen16. Dezember 2003

Adolf Hitler vermied ihn durch Selbstmord, Slobodan Milosevic steckt mittendrin und Saddam Hussein könnte kurz davor stehen: ein Prozess vor einem Kriegsverbrechertribunal.

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Vom Diktator zum Angeklagten: Saddam HusseinBild: AP

Nach dem Willen des irakischen Verwaltungsrats soll sich Saddam Hussein vor dem irakischen Kriegsverbrechertribunal verantworten. Das sagte der Präsident des Verwaltungsrates Abdel Asis el Hakim am Montag (15.12.2003) nach einem Treffen mit dem französischen Außenminister Dominique de Villepin in Paris.

Welches Gericht ist zuständig?

Anders als die UN-Kriegsverbrechertribunale für Jugoslawien und Ruanda handelt es sich bei dem am vergangenen Mittwoch (10.12.) im Irak gegründeten Tribunal nicht um ein internationales UNO-Gremium. Es wurde vom irakischen Verwaltungsrat ins Leben gerufen und soll die Verbrechen von der Machtübernahme der Baath-Partei am 17. Juli 1968 bis zum Sturz des Regimes am 1. Mai 2003 untersuchen. Die Statuten des Tribunals sollen sich nach Aussage von Hakim an internationalem Recht orientieren.

Ein Parallelverfahren für Saddam Hussein vor dem 2002 gegründeten Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ist eher unwahrscheinlich. Zwar ist der Strafgerichtshof als erstes ständiges internationales Gremium für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Angriffsverbrechen zuständig. Doch laut Statuten des Gerichtshofes sind nur Straftaten verhandelbar, die nach dem 1. Juli 2002 begangen wurden. Außerdem hat der Irak das Statut des Gerichtshofes nicht ratifiziert. Und auch das wäre Bedingung.

Hitler richtete sich selbst

Der erste Staatschef, der sich für seine Kriegsverbrechen verantworten sollte, war Adolf Hitler nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch Hitler beging vorher Selbstmord. Dennoch gelang den Siegermächten eine Premiere: die Errichtung eines Internationalen Militärtribunals zur Verfolgung der größten Straftaten. Dazu zählten Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

In Nürnberg und Tokio saßen die vier Siegermächte - USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion - über die Führer Nazi-Deutschlands und Japans zu Gericht. Mit Todesurteilen oder langen Haftstrafen für die Verantwortlichen veränderten die Richter dabei das Verhältnis von Krieg und Recht: "Verbrechen gegen internationales Recht werden von Menschen begangen, nicht von abstrakten Wesen. Und nur, wenn wir die Individuen bestrafen, die solche Verbrechen begehen, können wir die Vorkehrungen des Völkerrechts durchsetzen", hieß es.

Obwohl das Kriegsrecht mit der Genfer Konvention 1949 auf eine klarere Grundlage gestellt wurde, dauerte es ganze 47 Jahre bis 1993 von den Vereinten Nationen das nächste Kriegsverbrechertribunal eingerichtet wurde. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges konnte sich der UN-Sicherheitsrat angesichts der Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien dazu durchringen, das Völkerstrafrecht quasi wiederzubeleben: mit dem ad-hoc-Tribunal für Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien.

Milosevic schwitzt - Kambanda sitzt

Anders als 1946 in Nürnberg und Tokio kommen die Richter dieses Tribunals in Den Haag aus der ganzen Welt. Der potentielle Vorwurf einer Siegerjustiz ist also schon vorab entkräftet. Das Tribunal ist für Kriegsverbrechen zuständig, die nach dem 1. Januar 1991 im ehemaligen Jugoslawien verübt wurden. Seit Februar 2002 muss sich mit dem ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic erstmals in der Geschichte des Völkerrechts ein Ex-Staatschef wegen Kriegsverbrechen und Völkermord verantworten. Der Prozess kann nach Ansicht von Beobachtern noch Jahre dauern.

Auf das erste Urteil gegen einen ehemaligen Staatschef muss die Weltgemeinschaft also weiter warten – ein ehemaliger Regierungschef ist dagegen bereits verurteilt worden: Das 1994 von den UN analog zum Jugoslawien-Tribunal im tansanischen Arusha geschaffene Internationale Ruanda-Tribunal verurteilte den ehemaligen Premierminister Ruandas, Jean Kambanda, 1998 zu einer lebenslangen Haftstrafe. Kambanda hatte sich zuvor ohne Beweisaufnahme des Völkermordes während des Bürgerkrieges 1994 schuldig bekannt.

Auch im westafrikanischen Sierra Leone wurde auf der Grundlage eines Abkommens mit den Vereinten Nationen im Jahr 2002 ein Sondergericht zur Ahndung von Verbrechen während des jahrelangen Bürgerkriegs eingerichtet. Vor dem Gericht in der Hauptstadt Freetown soll sich im kommenden Jahr Ex-Präsident Charles Taylor verantworten.