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Politik

Kreuzfahrtschiffe statt Turnhallen für Corona-Patienten

25. März 2020

Umgebaute Luxusliner und Marine-Boote könnten schnell und effizient große Mengen von Infizierten aufnehmen. Zwei deutsche Marine-Experten machen sich dafür stark, die USA machen es vor.

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Neues Coronavirus bringt internationale Schifffahrt durcheinander
Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Deutsche Welle: Sie schlagen vor, Militärschiffe oder auch Kreuzfahrtschiffe zu Hospital-Schiffen umzubauen, die dann in den deutschen Häfen in Nord- und Ostsee vor Anker liegen. Wie soll das gehen?

Moritz Brake: Vorausgesetzt, dass man keine Intensivstation-Standards für das komplette Schiff im Auge hat, kann man die Umbauten gut bewerkstelligen. Auch in Krankenhäusern an Land, in den normalen Patientenzimmern, gelten nicht unbedingt andere Standards, was die Atemluft angeht. Natürlich gibt es Hygienevorschriften für die Reinigung. Die sind aber auf Kreuzfahrtschiffen genauso zu leisten wie an Land. Es gibt besondere Vorschriften für die Belüftung von Operationssälen und Intensivstationen. Das wäre auf Kreuzfahrtschiffen baulich mit einigem Aufwand verbunden, aber machbar. Und es wäre denkbar, dass z.B. das bestehende Schiffspersonal, das bis hin zu Intensiv-Maßnahmen in Extremfällen diese Aufgaben ja schon erfüllt, dafür nutzbar wäre, wenn sich so eine Situation ergibt. Man muss vorher klar definieren, was diese Schiffe leisten können sollen.

Nach aktuellen Informationen werden diese Ideen in den USA jetzt bereits konkret angegangen...

Dr. Sebastian Bruns - Leiter des "Center for Maritime Strategy & Security"
Dr. Sebastian Bruns ist Experte für maritime SicherheitBild: Privat

Sebastian Bruns: Das eine ist, dass die beiden von der US-Navy vorgehaltenen Hospitalschiffe, die auf Tanker-Basis gebaut sind, jetzt in den Einsatz geschickt wurden - das eine in Richtung New York an der Ostküste, das andere in Richtung Los Angeles bzw. Seattle an der Westküste, um dort jeweils 1.000 Krankenhausbetten zusätzlich bereitzustellen. Und ferner will Carnival Cruises, einer der größten Anbieter für Kreuzfahrten in den USA, einen Teil seiner Flotte als Hilfs-Hospitalschiffe zur Verfügung stellen.

...und wenn sich in Deutschland und Europa keine Reederei freiwillig anbietet?

Moritz Brake: Es wäre im internationalen Seerecht für den deutschen Staat sicher nicht ganz einfach, auf ein Schiff direkt zuzugreifen, das zum Beispiel unter der Flagge von Panama fährt. Die Freiwilligkeit wäre sicherlich die Voraussetzung.

Sebastian Bruns: Das würde ich auch so sehen. Es entbindet natürlich nicht von der Erkenntnis, dass wir, die Bundesrepublik Deutschland oder auch viele andere Staaten der Europäischen Union, es versäumt haben mit Blick auf die gesellschaftliche Resilienz, eine Reserve vorzuhalten. Also Schiffe zu haben, die dafür ausgerüstet sind, im Krisen- und Konfliktfall als Hilfstransporter, als Hilfs-Schiffe eingesetzt zu werden, ohne dass man umständlich entweder auf die Freiwilligkeit setzen muss oder sogar Beschlagnahme und Requirierung anstreben muss. In Zeiten des Kalten Krieges und in manchen anderen Ländern, in Großbritannien zum Beispiel, war und ist das anders gewesen. Da hat es diese Möglichkeit gegeben, relativ einfach im Spannungsfall, im Konfliktfall Kreuzfahrtschiffe bzw. Transportschiffe in die Marine einzubeziehen, um dort dann eben entsprechende Rollen wahrzunehmen.  

Das historische Beispiel ist das Kreuzfahrtschiff Uganda, das 1982 requiriert wurde für den Falkland-Krieg und innerhalb von 60 Stunden von einem Linienschiff in einen Truppentransporter und dann in ein Hospitalschiff umgewandelt wurde.

In Deutschland werden jetzt Kapazitäten an Land aufgebaut, beispielsweise auf dem Berliner Flughafen Tempelhof. Welchen Vorteil haben Schiffslösungen im Vergleich zu diesen?

Moritz Brake | Kapitänleutnant und Doktorand am Departement of War Studies des King´s College, London
Moritz Brake, KapitänleutnantBild: Bundeswehr

Moritz Brake: Solche Lösungen in einer Turnhalle, in einem alten Flughafen, in der Messehalle oder auf einem Kreuzfahrtschiff sind vor allem sinnvoll für das Gros der Fälle. Wenn es zum Beispiel um die Corona-Epidemie geht, dann wären die Menschen, die nicht in eine direkte technische Beatmung müssen - und das sind ja die meisten Fälle - in so einem Lazarett gut aufgehoben. Diese Menschen kriegen Sauerstoffflaschen ans Bett gestellt und bedürfen keiner weiteren zusätzlichen intensivmedizinischen Betreuung. Während sie in der Turnhalle nur durch Stellwände getrennt sind, wäre eine solche Versorgung auf dem Kreuzfahrtschiff sehr viel besser, komfortabler und auch sicherer zu gestalten. Dort die Leute mit Essen zu versorgen, das in dem Schiff nach besten Standards zubereitet wird, nicht irgendwo per Caterer angeliefert werden muss, nicht irgendwo in Provisorien zubereitet wird, sondern in einem Schiff, das für die Versorgung von Menschen konzipiert ist, auf dem Reinigung-Standards gewährleistet werden und Sauerstoff bereit gestellt wird, das wäre sicherlich für die große Anzahl der Fälle, die überhaupt Betreuung brauchen, auf dem Schiff besser zu leisten als in der Turnhalle.

Und die Schwerkranken müsste man dann ausfliegen in reguläre Krankenhäuser...

Moritz Brake: Genau! Und dieser Vorgang wäre z.B. auch sehr gut gewährleistet auf einem solchen umgebauten Kreuzfahrtschiff.  Entweder verfügt das bereits über einen Hubschrauberlandeplatz. Oder man könnte einen solchen relativ einfach baulich nachrüsten an den strukturell verstärkten Stellen, wo Swimmingpools außen existieren. Dann könnte man sicherstellen, dass zum Beispiel unter Rückgriff auf das Schiffslazarett, das nach guten Standards ausgerüstet ist, jemand, dessen Lage sich verschlechtert, schnell dorthin gebracht wird, für den Transport fertig gemacht wird und per Hubschrauber ganz schnell in eine entsprechende Spezial-Institution gebracht wird. Sinnvoll wäre es, ein solches Schiff dann dauerhaft für genau diese Rolle weiter vorzuhalten: als festes Hospitalschiff.

Italien, Spanien, aber auch Länder wie Albanien, Kroatien oder Griechenland haben lange Küsten, und die Kreuzfahrtschiffe sind da. Was schlagen Sie für diese Länder vor? Welche Rolle können EU und Nato spielen?

Sebastian Bruns: Die EU hat ja mit dem Center for Desease Management in Stockholm eine kompetente Einrichtung. Ich würde da definitiv die EU in der Verantwortung sehen, eine Nato-Rolle sehe ich da jetzt nicht. Die Seestreitkräfte der jeweiligen Länder könnten sicherlich eine Rolle spielen in der Unterstützung beim Aufbau dieser Kapazitäten. Italien ist eine größere Seemacht, hat eine größere Marine, die sicherlich auch Möglichkeiten hat, das zu unterstützen. Aber wir sollten nicht den Fehler machen, die Nato zu einer Art grauem technischen Hilfswerk zu machen.

Moritz Brake: Wer auch immer der Autor einer solchen Maßnahme wäre: Wenn so ein Schiff dann über die EU organisiert wird, dann könnte man einen Pool von Leuten zusammenstellen, der sich auch aus dem militärischen Bereich speist. Aktuell sind ja auch Mediziner der deutschen Marine in Deutschland an Land in Lazaretten im Einsatz, um zu helfen, wo sie können, und zwar zivilen Patienten. Ein ähnlicher Mechanismus wäre auch denkbar, um Mediziner der Marine aus Deutschland oder aus Frankreich auf ein Hospitalschiff nach Griechenland zu bringen, wenn dort die Krise beispielsweise schärfer agiert als in Deutschland.

Dr. Sebastian Bruns ist Experte für maritime Sicherheit am Institut für Sicherheitspolitik, Universität Kiel (ISPK) 

Moritz Brake ist Kapitänleutnant und Doktorand am Departement of War Studies des King´s College, London.