Kreuzfahrten - Segen, Plage oder beides?
Kreuzfahrten boomen. Immer mehr Passagiere reisen auf immer mehr und immer größeren Schiffen. Wer aber profitiert von der Lust auf Seereisen? Und gibt es auch Verlierer?
Ein Riesengeschäft für die Reeder
Zunächst einmal freuen sich natürlich die Reeder über immer mehr Passagiere. In diesem Jahr werden Schätzungen zufolge über 25 Millionen Menschen eine Kreuzfahrt machen. Allein die britisch-amerikanische Carnival Corporation hat 2015/16 über 16 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Der Umsatz der deutschen Reedereien lag 2016 insgesamt bei etwa 3,4 Milliarden Euro.
US-Reeder beherrschen den Markt
Die nach Passagierzahlen größten Kreuzfahrtunternehmen kommen aus den USA. Erst an neunter Stelle folgt Aida Cruises, die deutsche Tochter von Carnival. Der Branchenprimus Royal Caribbean befördert allerdings drei mal mehr Passagiere als Aida. Das deutsche Unternehmen TUI Cruises kommt mit 8,7 Millionen Passagieren nur auf ein Siebtel der Pasagierzahlen von Royal Caribbean.
Europas technologischer Vorsprung
Neben den Reedereien freuen sich die Werften über den Boom. In Europa gibt es nur wenige große Schiffbauer, die Kreuzfahrtschiffe bauen können. Die Meyer-Werft mit Standorten in Papenburg (Bild) und Finnland, die Fincantieri in Italien und die STX France in St. Nazaire. Asiens Werften würden die Qualitätsstandards der europäischen Reedereien nicht erfüllen, heißt es bei TUI.
Ungebrochene Nachfrage
Boom hin oder her - derzeit sind die europäischen Werften ausgelastet. Allein die Meyer Werft hat bis 2023 mit ihren bestehenden Aufträgen genug zu tun. Zwischen 2017 und 2026 sollen weltweit 97 neue Kreuzfahrtschiffe mit einem Investitionsvolumen von 53 Milliarden US-Dollar in See stechen, so der Branchenverband Cruise Lines International Association (CLIA).
Zulieferer bauen Großteil des Schiffes
Allgemein beim Schiffbau gilt: Rund drei Viertel eines Schiffes werden zugeliefert, von den elektronischen Steuerungen über Motoren bis zu Schiffsschrauben. Die Zulieferbranche ist in Deutschland mit 70.000 Beschäftigten rund drei Mal so groß wie die Schiffbauindustrie. Bei der Meyer Werft in Papenburg beispielsweise wirken an der Fertigstellung eines Kreuzfahrtschiffes bis zu 800 Lieferanten mit.
Kreuzfahrtbranche als Wirtschaftsmotor
Knapp 41 Milliarden Euro brachte die Kreuzfahrt 2015 Europa an Wertschöpfung ein, so der Fachverband CLIA. Zur Weltwirtschaft trug die Branche 117 Milliarden US-Dollar bei - errechnet aus direkten Ausgaben von Reedern und Passagieren, Steuern und indirekten Effekten und gezahlten Löhnen.
Und wer hält das alles sauber?
14 Stunden täglich, 72 Stunden in der Woche - auf Kreuzfahrtschiffen sind solche Arbeitszeiten oft normal. Zudem sind die Löhne sehr niedrig und es werden wenig Steuern für das Schiff bezahlt. Möglich ist so etwas, weil deutsche Kreuzfahrt-Anbieter ihre Schiffe ausnahmslos im Ausland registrieren, so eine Recherche der ZEIT. Das Personal dürfte damit zu den Verlierern des Booms gehören.
Auch die Besuchten leiden zunehmend
Zwar bringen die Meeresriesen etwas Umsatz in die Hafenstädte, wenn sie tausende Touristen ausspucken. Allerdings werden die Reisenden an Bord vollständig versorgt und konsumieren dementsprechend weniger. In vielen Häfen sorgt der Besucheransturm daher für Ärger. An einem Wochenende im August haben allein in Palma de Mallorca fünf Kreuzfahrtschiffe angelegt und 20.000 Passagiere von Bord gelassen.
Schwimmende Drecksschleudern
Ein solcher Ansturm verändert den Charakter der Hafenstädte und das Leben der Einheimischen. Neben den Menschenmengen belasten auch die Abgase der Schiffe die Gastgeber. Im Hafen laufen die Motoren weiter, um den Hotelbetrieb mit der Stromversorgung an Bord aufrechtzuerhalten. In Venedig schädigen zusätzlich die durch die Schiffe hervorgerufenen Wellenbewegungen das Weltkulturerbe.
Gute, gesunde Meeresluft...
sucht man in der Nähe von Kreuzfahrtschiffen vergebens. Auch moderne Schiffe blasen giftige Abgase in die Luft. In der Regel wird auf hoher See Schweröl verfeuert, das bis zu 4,5 Prozent Schwefel enthält. Inzwischen darf in der Nord- und Ostsee nur noch schwefelarmer Kraftstoff verwendet werden. Zudem verursachen die Schiffe Stickoxid- oder Feinstaub-Emissionen. Das belastet Häfen wie Passagiere.
Warten auf technische Nachrüstung
Kein einziges Kreuzfahrtschiff in Europa sei aus Umweltsicht uneingeschränkt empfehlenswert, kritisierte am Dienstag (05.09.2017) der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Vor allem weil die Schiffe weiterhin mit Schweröl führen und keine Rußpartikelfilter gegen Feinstaub einsetzten. Erst wenn ab 2018 die ersten mit Flüssiggas betriebenen Schiffe in Dienst gestellt werden, könnte es besser werden.
Mehr Passagiere = mehr Umweltbelastung?
Um diese noch geltende Gleichung zu brechen, soll die Umweltbilanz verbessert werden. Deshalb versorgen erste Betreiber zumindest im Hafen ihre Kreuzfahrtschiffe bereits mit Flüssiggas. Inzwischen sind auch Schiffe, die vollständig mit Flüssiggas betrieben werden können, im Bau. AIDA Cruises will ein solches, bei der Meyer-Werft gebautes Schiff, im Herbst 2018 im See stechen lassen.
Branchentreffen an der Waterkant
Auch mit Flüssiggas betriebene Schiffe werden auf der europäischen Leitmesse für Kreuzschifffahrten und Flusskreuzfahrten vorgestellt. Die Seatrade Europe beginnt am 6. September in Hamburg. Im Anschluss finden die Hamburg Cruise Days statt. In diesem Jahr werden dabei elf Kreuzfahrtschiffe im Hamburger Hafen erwartet - ein neuer Rekord.
Seit mehreren Jahrzehnten stechen immer mehr Touristen in See, um sich auf einer Kreuzfahrt zu erholen. Um die Nachfrage zu bedienen, bestellen die Reedereien immer mehr und größere Schiffe. So profitieren von der Seereiselust gleich mehrere Branchen. Es gibt aber auch einige Wermutstropfen, die mit zunehmenden Passagieraufkommen immer schwerer wiegen.