Medien unter Druck
2. März 2012Vor der Präsidentenwahl am 4. März dreht sich in den russischen Medien alles um den Kreml-Kandidaten Wladimir Putin. Im Fernsehen, in den Zeitungen und im Internet ist er allgegenwärtig. Ob der 59-Jährige gerade Wahlkampf macht oder als Premier auftritt, ist nicht mehr zu unterscheiden.
Die anderen vier Präsidentschaftskandidaten werden weit weniger in den Medien erwähnt. Für TV-Debatten mit ihnen habe er keine Zeit, verkündete Putin. Der Regierungschef, der zwischen 2000 und 2008 bereits zwei Amtszeiten als Präsident absolvierte, will nun wieder als Staatsoberhaupt in den Kreml einziehen.
Gazprom gegen Echo Moskwy
Damit für Putin alles bleibt wie es ist, geraten kritische Medien zunehmend unter Druck. Das zeigt unter anderem die Personalrochade beim Radiosender Echo Moskwy. Dieser galt bislang als der regierungskritischste im Lande. Knapp drei Wochen vor der Präsidentenwahl entließ der Hauptaktionär des Senders, Gazprom-Media - eine Tochter des staatlich kontrollierten Energiekonzerns Gazprom - den Chefredakteur Alexej Wenediktow sowie drei weitere Direktoren aus dem Aufsichtsrat des Senders.
Wenediktow erklärte, es sei offenbar beabsichtigt, den Druck auf Echo Moskwy zu erhöhen. Der Sender solle künftig positiver über Putin berichten. Dieser hatte Wenediktow zuletzt mit äußerst derben Worten beschimpft und dem Sender vorgeworfen, nicht in angemessener Form über ihn zu berichten und US-Interessen zu dienen.
"Es ist klar, dass Gazprom seine Leute angewiesen hat, sich vor den Wahlen ins Zeug zu legen“, sagte Alexej Simonow, Leiter der Moskauer Stiftung zur Verteidigung von Glasnost, gegenüber der DW. Auch in anderen Fällen sei Gazprom-Media aktiv geworden. Zu erwähnen ist die Entlassung von vier Top-Managern des russischen Verlagshauses Kommersant durch dessen Eigentümer Alischer Usmanow. Er ist zugleich Geschäftsführer der Gazprominvestholding, ebenfalls einer Gazprom-Tochtergesellschaft.
TV-Sender Doschd im Visier der Behörden
Aber nicht nur über Gazprom mischt sich der Kreml in die Medienberichterstattung ein. Auch Putin-treue Politiker sind aktiv. Mitte Februar richtete der Parlamentsabgeordnete Robert Schlegel von der Regierungspartei "Einiges Russland" ein Ersuchen an die Staatsanwaltschaft. Als stellvertretender Leiter des Duma-Ausschusses für Informationspolitik verlangte Schlegel, die Justiz müsse klären, wer die Fernsehübertragung von oppositionellen Demonstrationen gegen Wahlfälschung in Russland beim TV-Sender Doschd finanziert habe.
Der unabhängige TV-Sender Doschd war anfangs nur im Internet zu sehen. Inzwischen ist er in einigen Regionen Zentralrusslands auch über Satellit oder Kabel zu empfangen. Seine wichtigste Zielgruppe sind aber nach wie vor Internet-Nutzer. Das Programm besteht zu einem Großteil aus Live-Sendungen. Schwerpunkt ist die politische Berichterstattung. Doschd hatte zunächst als einziger Sender über die Proteste nach der Duma-Wahl im Dezember 2011 berichtet.
Nowaja Gaseta unter Druck
Über Finanzprobleme klagt derzeit die Kreml-kritische Zeitung Nowaja Gaseta. Grund dafür sei eine "beispiellose Überprüfung" der Bank des Miteigentümers Alexander Lebedew. Dessen Konten seien eingefroren worden, teilte Chefredakteur Dmitri Muratow mit. Die Auszahlung der Gehälter habe man für einen Monat aussetzen müssen, doch die Zeitung werde weiter erscheinen.
Der Finanzmagnat Lebedew und der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow halten 49 Prozent der Anteile an der Nowaja Gaseta. Die restlichen 51 Prozent befinden sich in den Händen der Redaktion. Die Zeitung ist für ihren investigativen Journalismus bekannt. Acht Mitarbeiter der Nowaja Gaseta wurden seit dem Jahr 2000 schwer verletzt oder ermordet, darunter Anna Politkowskaja und Natalia Estemirowa. Beide hatten über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien berichtet.
Schwerwiegende Einschränkungen
Dem Sekretär des russischen Journalistenverbandes, Wladimir Kasjutin, zufolge zeigen die Ereignisse in Russlands Medienlandschaft, dass sich die Lage im Lande verändere. "Die Situation hat sich nach den Wahlen zur Staatsduma verschärft. Wir sehen schwerwiegende Einschränkungen der Freiheiten von Journalisten in erster Linie bei Fernseh- und Radiostationen, schwerwiegende Einschränkungen bei Inhalten", sagte Kasjutin der DW. In manchen Fällen handele es sich zwar eher um Selbstzensur, in anderen jedoch um echte staatliche Zensur.
Autor: Markian Ostaptschuk, Jegor Winogradow
Redaktion: Bernd Johann