Die Krautreporter
13. Juni 2014Für die zukünftige Krautreporter-Redaktion ist der Online-Journalismus längst kaputt. Vielen Medien seien Klickzahlen wichtiger als fundiert recherchierte Geschichten. Die Welt werde nur noch in Eilmeldungen erklärt. Die allgegenwärtige Werbung nerve, und der Boulevard sei auch schon bei den seriösen Medien eingekehrt.
"Wir kriegen das wieder hin", versprechen die Krautreporter und wollen zukünftig "guten Journalismus" anbieten, mit Reportagen, Analysen, Porträts und Erklärstücken, nicht hektisch zusammengeschrieben, sondern gründlich recherchiert. Qualitätsjournalismus eben. Auf ihrer Homepage heißt es: "Wir wollen nicht mehr darauf warten, dass die großen Medienunternehmen sich endlich trauen, echten Journalismus im Netz zu ermöglichen. Wir alle arbeiten seit Jahren als Journalisten mit großem Engagement für die etablierten Medien. Und wir glauben: Jetzt ist es Zeit für etwas Neues."
Dafür stehen in der Szene bekannte Namen wie der Medienkritiker Stefan Niggemeyer, Netzkolumnist Richard Gutjahr, der Videoblogger Tilo Jung oder der ehemalige Chef der deutschen Ausgabe des Netzmagazins Wired, Alexander von Streit.
Vorbild aus den Niederlanden
Ein solches Projekt ist nicht ganz billig. Die Krautreporter halten mit Zahlen nicht hinterm Berg: 900.000 Euro kostet es, um die Sache für wenigstens ein Jahr am Laufen zu halten. Davon werden auch die Mitarbeiter bezahlt, die für ein Monatsgehalt von 2000 bis 2500 Euro mindestens eine Geschichte pro Woche liefern sollen.
Für das nötige Geld sollten 15.000 Abonnenten sorgen, die mit einem Jahresbeitrag ab 60 Euro aufwärts in den Fond einzahlen. Wäre die Summe und damit das Projekt innerhalb eines Monats nicht zustande gekommen, hätten die Unterstützer ihr Geld zurück erhalten. Nun ist es geglückt: Am Freitag (13.06.2014) verzeichnet die Website der Krautreporter bereits mehr als 15.000 Unterstützer. Es sind 900.000 Euro zusammengekommen.
Die Idee, ein Onlinemagazin aus einem Crowdfunding-Projekt zu finanzieren, stammt aus den Niederlanden. "De Correspondent" läuft seit einem Jahr erfolgreich und hat 60.000 Abonnenten. Nur die haben Zugriff auf die Artikel. Die Krautreporter wollen ihre Inhalte öffentlich zugänglich machen.
Kein reibungsloser Weg
Bis es zu diesem Erfolg kam, rauschte und grummelte es heftig, auch unter den Kollegen der 25 ambitionierten Reporter. Datenjournalist Lorenz Matzat hatte mit "Fünf Gründen, warum ich von dem Krautreporter-Konzept enttäuscht bin" die Diskussion angestoßen. Neben der lieblosen Präsentation bemängelte er vor allem, dass von keinem der Teammitglieder Arbeitsproben gezeigt würden, und dass es keinen Hinweis darauf gebe, was der Leser auf den Seiten finden wird.
Auf indiskretionehrensache.de unterstellte Thomas Knüwer den Krautreportern "viel Selbstgewissheit ob der eigenen Qualität", wenn noch nicht mal ein Exklusivthema zum Start gereicht werde – um hungrig zu machen auf die Krautreporter. Mit der Meinung war Knüwer nicht allein: Viele Interessierte wollten wissen, was die Berichterstattung der Krautreporter von der eines anderen Medienhauses unterscheiden würde. Immerhin haben alle den Anspruch, hochwertigen Journalismus zu liefern.
Felix Schwenzel fragte in seinem Blog wirres.net, welche Zielgruppe die Krautreporter erreichen wollen: "Für leicht adipöse, mittelalte, relativ gut gebildete, internetaffine, weiße Mittelschichtmänner verspricht Krautreporter beim Blick auf die Redaktionsmitglieder ein spannendes Dings zu werden." Schwenzel sprach auch einen der Hauptkritikpunkte an: Warum sind in einem 25-köpfigen Team eigentlich nur sechs Frauen?
Die Krautreporter reagierten auf die Kritik. In ihrem Blog beantworteten sie so drängende Fragen wie die nach der Frauenquote und räumten auch Versäumnisse ein: "Wir hätten auf mehr Vielfalt in der Redaktion wie zum Beispiel ein ausgeglicheneres Verhältnis von Männern und Frauen im Team achten müssen. Das wird uns in Zukunft nicht mehr passieren. Wir werden das Ungleichgewicht berücksichtigen, wenn das Projekt realisiert wird und wir die Redaktion erweitern."
Martin Weigert bedauerte die frühe Kritik an dem Projekt auf netzwertig.com: "Die Diskussion zeigt, wieso es in Deutschland so schwierig ist, ehrgeizige Digital-Vorhaben erfolgreich umzusetzen: Der Drang, sofort möglichst ausführlich, detailgenau und ohne Versuche der Abmilderung Kritik zu üben, verhindert eine positive Sogwirkung."
Umsetzung geglückt
Am Tag drei nach Eröffnung der Kampagne (Mitte Mai 2014) hatten bereits knapp 3000 Unterstützer in den Fond eingezahlt. Innerhalb von vier Wochen suchten sie 15.000 Menschen, die mit fünf Euro pro Monat ihr werbefreies Onlinemagazin finanzieren. Am Mittwoch (11.06.2014) hatten sich 10.000 Unterstützer gefunden. Heute, pünktlich zur Deadline (13.06.2014), verzeichnet das Onlinemagazin knapp mehr als 15.000 Unterstützer. Die "Krautreporter" können loslegen.