Kosovo-Serbien-Gespräche vor dem Aus
25. Juni 2020Nach der Absage des kosovarischen Präsidenten Hashim Thaci hat auch der Ministerpräsident des Landes, Avdullah Hoti, angekündigt, nicht an Friedensgesprächen mit Serbien in Washington teilzunehmen. Der US-Sondergesandte Richard Grenell hatte ursprünglich für Samstag ein Spitzentreffen im Weißen Haus angekündigt.
Hoti teilte mit, seine Regierung werde nicht zu Beratungen mit dem serbischen Staatschef Aleksandar Vucic erscheinen. "Aufgrund der neuen Entwicklungen (...) muss ich in mein Land zurückkehren", erklärte der Ministerpräsident, der sich gerade zu Gesprächen mit EU-Vertretern in Brüssel aufhält. Damit stehen die geplanten Verhandlungen unter Vermittlung der USA vor dem Aus.
Mord, Folter, Verfolgung
Ausdrücklich nahm Hoti auf die vorläufige Anklage gegen Präsident Thaci Bezug, welche der Sonderankläger des Kosovo-Strafgerichts in Den Haag am Mittwoch erhoben hatte. Thaci und andere Akteure des kosovarischen Unabhängigkeitskrieges gegen Serbien 1998/99 sollen sich wegen schwerer Verbrechen in zehn Punkten verantworten, darunter Mord, Folter, und Verfolgung. Die Opfer waren demnach Hunderte Serben, Kosovo-Albaner, Roma und politische Gegner.
Thaci hatte seinerzeit die kosovo-albanische Untergrundarmee UCK kommandiert. Nach Bekanntwerden der Anklage informierte er den US-Balkanbeauftragten Grenell darüber, dass er nicht nach Washington kommen werde. Ob Serbiens Staatschef Vucic, dessen Partei gerade die Parlamentswahlen gewonnen hat, in die Hauptstadt der Vereinigten Staaten reisen will, ist noch offen.
Konkurrenz zu EU-Initiative
Das vorgesehene Spitzengespräch war schon im Vorhinein umstritten, weil es in Konkurrenz zur EU-Friedensdiplomatie zu stehen schien. Grenell, der das nun geplatzte Treffen eingefädelt hatte, war bis vor kurzem US-Botschafter in Berlin. Er genießt das Vertrauen von US-Präsident Donald Trump.
Kosovo hatte 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Die Regierung in Belgrad erkennt diese indes - ebenso wie auch Russland und mehrere EU-Staaten - nicht an. Die Europäische Union hat den Westbalkan-Ländern Serbien, Montenegro, Albanien, Nordmazedonien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina eine Beitrittsperspektive eröffnet.
Brüssel knüpft daran aber Bedingungen. Dazu gehört auch eine Klärung des Verhältnisses zwischen Belgrad und Pristina. 2011 hatte die EU Gespräche über eine Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern vermittelt. Die liegen jedoch seit fast zwei Jahren auf Eis. Damals hatte die kosovarische Regierung hohe Strafzölle für Waren aus Serbien eingeführt.
jj/sam (dpa, afp, rtr)