Schwierige Identifizierung
19. März 2009Zehn Jahre nach dem Krieg werden im Kosovo noch immer fast zweitausend Menschen vermisst. Gleichzeitig liegen im Leichenschauhaus von Prishtina etwa vierhundert Tote, die noch nicht identifiziert werden konnten. Da es im Kosovo kein DNA-Labor gibt, ist es in den letzten Jahren zu einem Rückstau bei der Bearbeitung ungeklärter Todesfälle gekommen. Tausende Kriegsopfer waren direkt nach Ende der Kämpfe bestattet worden, allerdings ohne dass zuvor DNS-Proben entnommen wurden. Dies erschwert nun die Identifizierung der Opfer.
Unverständnis bei Angehörigen
Für viele Organisationen und Angehörige von Opfern ist es unverständlich, dass noch immer so viele Kriegsopfer unidentifiziert im Leichenschauhaus von Prishtina liegen. Nysrete Kumnova ist eine von vielen Kosovarinnen, die eine Antwort auf die Frage suchen, welches Schicksal ihr Sohn erlitten hat, der im Kosovokrieg verschwunden ist: „Wir möchten, dass unsere Liebsten an ihre Familien zurückgegeben werden. Es gibt hunderte Särge mit nicht-identifizierten Opfern. Wir verstehen nicht, warum die Körper der Toten nicht identifiziert werden können. Wir fordern von der Regierung, sich verantwortlich gegenüber den Bürgern zu zeigen und einen Weg zu finden, damit die Identifizierung möglicht wird. Aber wir fordern auch, dass die Tausenden gefunden werden, die noch immer als verschollen gelten“, sagt Kumnova.
Gerichtsmediziner können wenig tun
Mit der Identifizierung ist das Gerichtsmedizinische Institut in Prishtina beauftragt. Arsim Gerxhaliu, Leiter des Instituts, sagt, es gebe eine ganze Reihe von Problemen, die das Institut aus der Vergangenheit geerbt habe. Diese erschwerten noch heute die Lösung der offenen Fälle: „Wir hoffen, dass die Regierung endlich eine Arbeitsgruppe ins Leben ruft, die alle Informationen der verschiedenen Akteure zusammenträgt. Wir haben zwar Hunderte von Leichen hier, aber wir können nichts tun, weil wir kein DNA-Analyselabor zur Verfügung haben. Wir können also nicht mehr tun, als die Leichen aufzubewahren.“
DNA-Labor fehlt noch immer
Eine DNA-Analyse wäre die sicherste Identifikationsmethode. Allerdings müssen bislang alle Analysen außerhalb des Kosovo durchgeführt werden. Teilweise werden Leichen auch ohne DNA-Analysen identifiziert, aber die dazu verwendeten Methoden sind sehr komplex und erfordern einen erheblichen Rechercheaufwand. Zudem sind die Methoden unsicher.
Die Forderung, vermehrt DNA-Analysen zur Identifikation einzusetzen, stellt die Verantwortlichen zudem vor das Problem, dass damit auch neue Exhumierungen nötig werden, um bereits abgearbeitete Fälle noch einmal zu prüfen. Der stellvertretende Premierminister Rama Manaj weist darauf hin, dass Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander liegen: „Etwa zweitausend Menschen sind seit Ende des Krieges ohne DNA-Analyse oder medizinisches Gutachten beerdigt worden. Allerdings fordert das Haager Tribunal nun von uns deren Identifizierung. Aber wir können nur über eine DNA-Analyse wirklich herausfinden, wer sie sind.“
Mangelnde Kooperation in Belgrad
Manaj erklärt, die Regierung sei bereit, Mittel für die Gründung eines Labors zur Verfügung zu stellen. .Allerdings käme es auch in diesem Fall nicht zu einer schnellen Aufklärung aller Fälle von Vermissten. Denn die Regierung des Kosovo sei auch auf Informationen aus Belgrad angewiesen, da bei vielen Vermissten bis heute unklar sei, wo sie begraben wurden.
Bereits vor vier Jahren hatte das Internationale Komitee des Roten Kreuzes mit Vermittlungsbemühungen zwischen Belgrad und Prishtina begonnen, um die Zusammenarbeit bei der Aufklärung der offenen Fälle zu verbessern. Aber die Zusammenarbeit verzögert sich noch immer, weil Belgrad die Institutionen des Kosovo nicht als Gesprächspartner anerkennt.
Autor: Bekim Shehu / Mirjana Dikic
Redaktion: Bernd Johann