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Kosovo an der Schwelle der EU

Bahri Cani27. Oktober 2015

Als letztes südosteuropäisches Land hat das Kosovo das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet. Bis zum Ziel einer EU-Mitgliedschaft ist es aber noch ein sehr langer Weg.

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Pristina Kosovo
Bild: Getty Images/Ch. Hondros

Der kosovarische Regierungschef Isa Mustafa hat in Straßburg mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn in Straßburg die Vereinbarung unterschrieben. Das Europaparlament muss dem Abkommen allerdings noch zustimmen. Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen soll dann in der ersten Jahreshälfte 2016 in Kraft treten. Es soll die Basis für eine engere politische, wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit legen.

"Für uns ist das ein historischer Moment, ein historischer Schritt. Damit fängt das Kosovo einen unumkehrbaren Weg zur EU-Mitgliedschaft an", betont der kosovarische Minister für die EU-Integration, Bekim Çollaku, im Interview mit der Deutschen Welle. Ziel des Abkommens ist es, die Voraussetzungen für einen Beginn von Beitrittsverhandlungen zu schaffen. Das Kosovo verpflichtet sich darin, die nötigen Reformen umzusetzen, während die EU die Verantwortung für die weitere Unterstützung des Landes übernimmt.

Der kosovarischen Regierung ist bewusst, dass dieser erste Schritt an viele Herausforderungen gekoppelt ist, besonders nach den Blockaden und der Gewalt der letzten Wochen im kosovarischen Parlament, wo die Opposition mehrmals Tränengas einsetzte. Die Opposition will damit die Regierung zwingen, ein von der EU vermitteltes Abkommen für mehr Autonomierechte für die serbische Minderheit sowie den Vertrag über die Festlegung der Grenze zwischen Kosovo und Montenegro zurückzuziehen.

Treffen Isa Mustafa, Federica Mogherini und Aleksandar Vucic in Brüssel (Foto: EU Council / Anadolu Agency )
Opposition ist strikt dagegen: Treffen des kosovarischen und serbischen Ministerpräsidenten mit Mogherini in BrüsselBild: picture-alliance/AA/EU Council

"Entweder diese Verträge zurückziehen, oder die Regierung muss sich zurückziehen", so das Motto der letzten gewalttätigen Proteste der nationalistischen Opposition. Die Regierung lehnt diese Forderungen ab. "Niemand kann die Umsetzung der Reformen gewährleisten, wenn die Unruhen und Blockaden weitergehen sollten. Wir werden aber alles tun, um die Situation zu stabilisieren und die Reformen weiterzuführen", so Minister Çollaku.

Gesetze brauchen einen Rechtsstaat

Auch der Stellvertreter des kosovarischen Premierministers, Branimir Stojanovic, äußert sich "sehr empört" über die Gewalt im Parlament. "Das ist eine sehr große Schande. Ich schäme mich persönlich, in so einem Parlament anwesend zu sein. Das ist kein Benehmen für ein Parlament. Deswegen ist es gut, dass die große Mehrheit der Abgeordneten und der Bevölkerung gegen ein solches Verhalten ist", so Stojanovic im Gespräch mit der DW.

Seit dem Kosovo-Krieg 1999 und insbesondere nach der Unabhängigkeitserklärung 2008 hat das Kosovo zahlreiche Gesetze den EU-Standards angepasst. "Das Kosovo hat sehr moderne Gesetze. Das Problem ist allerdings deren Umsetzung, weil nur ein Rechtsstaat und eine sichere gesetzliche Infrastruktur Investitionen aus dem Ausland ermöglichen können. Und die Investitionen aus dem Ausland sind notwendig", so der Vorsitzende der Wirtschaftskammer im Kosovo, Safet Gerxhaliu im Gespräch mit der DW.

Armut und Perspektivlosigkeit

Das Kosovo wird sehr oft als "Armenhaus" Europas bezeichnet. Offiziellen Angaben der Weltbank zufolge lag das Pro-Kopf-Einkommen im Land im Jahr 2014 bei knapp 2900 US-Dollar. Die offizielle Arbeitslosenquote bleibt bei 35 Prozent unverändert hoch. Der Übergang von einer zentralen Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft erfolgte durch eine Privatisierung vieler staatlicher Vermögenswerte. Jedoch wurde die Privatisierung von vielen Unregelmäßigkeiten und Korruption belastet. Das Kosovo verzeichnete im vergangenen Jahr einen wirtschaftlichen Zuwachs von rund drei Prozent.

Trotz der Fortschritte seit der Unabhängigkeit bleibt die Wirtschaft aber schwach. Mehr als 90 Prozent alle Güter im Kosovo kommen aus dem Ausland. Die extreme Armut, also der Anteil der Menschen, die mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen, liegt bei 18 Prozent. Und rund 15 Prozent des BIP speist sich aus Überweisungen der Diaspora. Die Bürokratie ist zu umständlich und spiegelt die Geschichte der zentralen Planung wider. Eine der größten Herausforderungen des Kosovo waren und bleiben Korruption und organisierte Kriminalität, die auch auf hoher politischer Ebene vermutet werden.

Serbien stellt sich quer

Dennoch glaubt Gerxhaliu, dass das Kosovo in der Lage sei, all diese Herausforderungen bewältigen zu können. "Das Kosovo braucht aber eine unabhängige Justiz und die Umsetzung der vorhandenen Gesetze, weil sie oft nur als Dekoration dienen. Ich glaube, dass die Partnerschaft mit der EU die Bemühungen für Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft stärken wird. Eine Alternative gibt es nicht. Durch ein starkes Engagement aller Beteiligten kann das Kosovo ein würdiger Partner der EU werden."

Flüchtlinge aus dem Kosovo (Foto: ARMEND NIMANI/AFP/Getty Images)
Tausende verlassen das Armenhaus Kosova gen EuropaBild: Armend Nimani/AFP/Getty Images

Das Kosovo hat derzeit keine volle Unterstützung der EU. Die 2008 erklärte Unabhängigkeit wird bis jetzt von 111 Ländern anerkannt, davon auch 23 EU- Mitgliedern. Doch obwohl sie das Abkommen mit dem Kosovo unterstützen, weigern sich Spanien, die Slowakei, Zypern, Griechenland und Rumänien, die Unabhängigkeit des Landes anzuerkennen. Besonderes belastend für den Integrationsprozess des Kosovo sind die Beziehungen zu Serbien, das strikt gegen eine Unabhängigkeit des Kosovo ist. Premierminister Aleksandar Vucic bezeichnete zuletzt das Verlangen der EU nach einer vollständigen Normalisierung der Beziehungen zwischen zwei Staaten Serbien und Kosovo als "schrecklich".