Korruptionswächter: Deutschland soll handeln
25. Januar 2022Bereits das vierte Jahr in Folge belegt der öffentliche Sektor Deutschlands im jährlichen Korruptions-Wahrnehmungs-Index von Transparency International den 10. Platz. Im Index für das Jahr 2021 erreicht Deutschland dabei 80 von 100 Punkten. Dänemark, Neuseeland und Finnland halten mit jeweils 88 Punkten erneut die Spitzenplätze. Dabei betonen die Autoren, dass die Punktezahl der wichtigere Indikator sei als der Listenplatz, da letzterer aufgrund der Anzahl der bewerteten Länder schwanken könne. Für das Jahr 2021 standen 180 Staaten auf der Liste.
Was bedeuten die Punkte?
Deutschlands Punktezahl gibt an, dass der öffentliche Sektor hier als weitgehend frei von Korruption wahrgenommen wird. Betrachtet werden Beamte und gewählte Amtsträger und wie effektiv korrupte Handlungen wie Machtmissbrauch, Bestechung und Unterschlagung öffentlicher Mittel durch Gesetze und entsprechende Maßnahmen bekämpft werden.
Dies ist nicht unerwartet für eine etablierte Demokratie mit stabilen öffentlichen Institutionen. 16 der 25 "saubersten" Staaten im Index sind westliche Demokratien wie Deutschland, das zwar hinter den skandinavischen Ländern zurückliegt, aber vor den Nachbarn Frankreich und Österreich rangiert.
Die USA liegen mit einer Punktezahl von 67 auf Platz 27 der Liste – hinter Hongkong, Uruguay und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Australien beispielsweise verlor vier Punkte innerhalb eines Jahres, während Deutschland bei der Bewältigung bestehender Schwächen stagniert. "Das zeigt, dass wir bei der Bekämpfung von Korruption noch nicht sehr weit gekommen sind," sagt der Vorsitzende von Transparency Deutschland, Hartmut Bäumer, in einer Stellungnahme. "Es gibt hier immer noch massive Defizite in allen Bereichen der Gesellschaft."
Die Deutschland-Abteilung von Transparency International benannte als Beispiel die sogenannte "Maskenaffäre" im vergangenen Jahr: Zwei Unionsparlamentarier traten zurück, nachdem enthüllt worden war, dass sie ihre politischen Verbindungen genutzt hatten, um etwa zwei Millionen Euro an einem Maskenkauf der öffentlichen Hand zur Pandemie-Bekämpfung zu verdienen.
Im November befand ein Gericht in München die beiden allerdings für nicht schuldig der Korruption und urteilte, dass das, was ihnen vorgeworfen werde, nicht dem deutschen Tatbestand der Korruption entspreche. Die ehemaligen Abgeordneten gaben an, die Zahlungen seien das Honorar gewesen, das sie als Anwälte dafür erhalten hätten, bei der Aushandlung dieses Geschäfts geholfen zu haben. "Das Gesetz gegen Vorteilsnahme im Amt für gewählte Mandatsträger bleibt praktisch wirkungslos und bedarf dringend einer Verschärfung," sagt Bäumer. "Es ist nicht in Ordnung, dass die geltenden Regeln für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes strenger sind als für gewählte Mandatsträger." Ebenso bemängelt Transparency eine Geheimhaltungskultur im öffentlichen Sektor, das Fehlen klarer Regeln in Bezug auf die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen und den unzureichenden Schutz von Whistleblowern.
Neue Bundesregierung will Verbesserung
In einer Stellungnahme für die DW betont ein Sprecher des deutschen Justizministeriums, dass viele deutsche Gesetze zur Korruptionsbekämpfung im öffentlichen Sektor – auch jenes, das ohne Erfolg bei den beiden Abgeordneten des Maskenskandals angewendet worden sei – in den letzten Jahren verschärft worden seien, nicht zuletzt als Reaktion auf Forderungen des deutschen Zweigs von Transparency International.
Deutschlands neue Regierung aus SPD, Grünen und FDP hat zugesagt, die Transparenz zu erhöhen und stärker gegen Vorteilsnahme vorzugehen. "Der Koalitionsvertrag verpflichtet uns, den Straftatbestand der Bestechung und Korruption bei Mandatsträgern stärker auszuarbeiten. Wir werden in der Koalition diskutieren, wie wir diese Vereinbarung umsetzen werden", sagte die Sprecherin des Justizministeriums, Rabea Bönninghausen, der DW.
In jüngster Zeit sehen sich Regierungsmitglieder mit ganz eigenen Transparenz-Problemen konfrontiert. So kündigte die Staatsanwaltschaft Berlin in der vergangenen Woche an, wegen des Anfangsverdachts der Untreue gegen den Bundesvorstand der Grünen zu ermitteln. Die Parteivorstände, darunter Außenministerin Annalene Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck, hatten im Jahr 2020 pandemiebedingte Sonderzuwendungen erhalten, von denen selbst der parteiinterne Wirtschaftsprüfer sagte, sie hätten interne Grenzen überschritten. Ein Sprecher der Grünen bestätigte die Ermittlungen und betonte gegenüber deutschen Medien, die Zahlungen seien bereits zurückgegeben worden.
Grenzen des Index
Der Korruptionsindex ist eine Momentaufnahme dessen, wie sehr ein Land als korrupt wahrgenommen wird, nicht unbedingt, wie korrupt es tatsächlich ist, was laut den Autoren des Berichts schwer objektiv zu messen ist. Es berücksichtigt auch nur den öffentlichen Sektor und lässt den Schwarzmarkt und das Fehlverhalten von Unternehmen außenvor.
Große Finanzskandale wie die illegalen "Cum-Ex-Geschäfte" und "Wirecard" haben gezeigt, dass die deutschen Anti-Korruptionsbehörden auf Landes- und Bundesebene unterbesetzt und schlecht finanziert sind, was zu einer lückenhaften Überwachung und Durchsetzung von Regeln und Gesetzen geführt hat. Behörden reagierten nur langsam auf Korruptionsvorwürfe und ermittelten in einigen Fällen eher gegen die Ankläger als gegen die Angeklagten.
Der Korruptionsindex deckt keine kriminellen Handlungen wie Steuerbetrug und Geldwäsche ab. In einem Ranking des Netzwerks Steuergerechtigkeit zum Umgang mit Finanzgeheimnissen belegt Deutschland 2020 den 14. Platz. Das Netzwerk betrachtet Deutschland hier als "mäßig gerecht" und als "großen" Markt für Offshore-Finanzdienstleistungen, die illegales Verhalten anziehen.
Deutschlands jüngste Verbesserungen in dieser Hinsicht sind teilweise auf neue Anforderungen der Europäischen Union zur Bekämpfung der Geldwäsche zurückzuführen, denen sich Deutschland anpassen musste. Dennoch erwartet Transparency Deutschland mehr von der Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz, bis zur Wahl im Herbst Finanzminister, der mit Fragen zu seiner Rolle in den jüngsten Finanz-Skandalen konfrontiert wurde. "Besonders in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen hätten wir uns mehr erhofft", sagt Adrian Nennich, Sprecher von Transparency Deutschland, der DW.