Korea: Wie der Sport Brücken baut
14. Februar 2019Sport als Brückenbauer - Thomas Bach wird nicht müde, dieses Bild immer wieder zu benutzen. "Ihr habt gezeigt, dass der Sport die Menschen in einer fragilen Welt zusammenbringen kann. Ihr habt gezeigt, wie der Sport brücken bauen kann", rief der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) am 25. Februar 2018 den Sportlern aus Nord- und Südkorea bei der Abschlussfeier der Winterspiele von Pyeongchang zu. Auch knapp ein Jahr später, als Bach versprach, dass der Sport den koreanischen Friedensprozess weiter unterstützen werde, nutzte er dafür fast dieselbe Formulierung wie in Pyeongchang: "Der Sport muss Brücken bauen und zeigen, wie er Menschen zusammenbringen kann."
Am Freitag wollen Vertreter aus Nord- und Südkorea in Lausanne den IOC-Chef über den Stand ihrer Planungen für eine gemeinsame Olympiabewerbung im Jahr 2032 informieren. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, mit welchen Worten Bach das Treffen kommentieren wird. Und er liegt damit sogar richtig.
"Schneemann des Friedens"
Auch wenn der Sport häufig mit politischen oder sozialen Erwartungen überfrachtet und auch überfordert wird, im Fall Korea hat er es wirklich geschafft, Brücken zu bauen oder - um ein anderes Bild zu wählen - das Eis zu brechen. Ohne die Teilnahme Nordkoreas an den Olympischen Winterspielen in Pyeonchang, für die sich das IOC eingesetzt habe, wäre die anhaltende Annäherung zwischen den beiden koreanischen Staaten nicht möglich gewesen, sagte der südkoreanische Präsident Moon Jae-in bei einem Treffen mit Bach im vergangenen Oktober. Und zum Jahrestag der Eröffnungsfeier der Spiele legte Moon noch ein weiteres Bild nach: "Der kleine Schneeball, den wir zusammen angestoßen haben, ist bis heute zu einem Schneemann des Friedens geworden."
Drei Gipfeltreffen seit Pyeongchang
Bei der Eröffnungsfeier in Pyeongchang waren die Athleten aus Nord- und Südkorea unter einer neutralen Flagge zusammen ins Stadion eingezogen. Eine gemeinsame Frauen-Eishockeymannschaft ging bei den Spielen an den Start. Politisch wirkten die Spiele wie ein Startschuss: Dreimal haben sich seitdem die beiden koreanischen Staatschefs getroffen, Moon für den Süden und Kim Jong-un für den Norden. Der Sport spielte dabei immer wieder eine Rolle. Beim dritten Gipfel im September vereinbarten Moon und Kim schließlich, eine gemeinsame koreanischen Olympiabewerbung 2032 vorbereiten zu lassen. Was vor anderthalb Jahren noch wie ein Werbegag geklungen hätte, ist nun durchaus realistisch. Denn im Sport hat der Wiedervereinigungsprozess an Fahrt aufgenommen.
Zum WM-Halbfinale vereint
Wenige Tage, nachdem Moon und Kim sich bei ihrem ersten Gipfeltreffen am 27. April 2018 auf eine Friedenserklärung geeinigt hatten, sagten die Frauenteams von Nord- und Südkorea bei der Tischtennis-WM in Halmstad in Schweden das eigentlich fällige Viertelfinal-Duell gegeneinander ab und erklärten, im Halbfinale als gemeinsames koreanisches Team anzutreten - ein sportpolitischer Paukenschlag. Dass die spontan gebildete gesamtkoreanische Mannschaft das Halbfinale gegen Japan 0:3 verlor und damit Bronze holte, war zweitrangig. Was zählte, war die politische Geste.
In einem Boot
Bei den Asienspielen im vergangenen August in der indonesischen Hauptstadt Jakarta traten die beiden koreanischen Staaten im Drachenbootrennen, Rudern und Basketball mit gemeinsamen Teams an und holten auch eine Medaille: Sieben Südkoreanerinnen und fünf Nordkoreanerinnen saßen in einem (Drachen-)Boot und gewannen Bronze hinter China und Indonesien.
Fünf Spiele, fünf Niederlagen
Auch bei der Handball-WM der Männer in Deutschland und Dänemark zu Jahresbeginn spielte ein gesamtkoreanisches Team. Dem 19:30 im WM-Eröffnungsspiel in Berlin gegen Deutschland folgten vier weitere Niederlage und der erwartete K.o. nach der Vorrunde. Auch hier stand nicht das sportliche Ergebnis, sondern die politische Wirkung im Vordergrund. IOC-Chef Bach ließ es sich nicht nehmen, den ersten WM-Auftritt der Koreaner auf der Tribüne mit zu verfolgen. Das vereinte Team beider Länder sei ein "großartiges Zeichen", sagte Bach - und fügte seine Standardformel hinzu: "Der Sport kann nicht die Politik machen, aber er kann ...."