Korallensterben: Start-up züchtet Riffe nach Maß
15. Oktober 2018Sie haben eine Villa an einem tropischen Sandstrand. Der Meerblick ist traumhaft, der Strand unberührt. Wenn es jetzt noch ein Korallenriff unter den türkisfarbenen Wellen gäbe… Nun ja, Sie können sich eines kaufen. Coral Vita ist ein junges Unternehmen mit einem sehr grünen Ziel: zerstörten Korallenriffen neues Leben einzuhauchen – oder sogar neue zu bauen. Gator Halpern, einer der Gründer, hat gerade den "Young Champions of the Earth"-Preis für das Projekt gewonnen. Er wird vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) vergeben.
DW: Herr Halpern, warum sollte jemand ein Korallenriff sanieren wollen?
Gator Halpern: Weil Korallenriffe unglaublich wichtige Ökosysteme sind. Sie bedecken weniger als ein Prozent der Ozeane, aber beheimaten 25 Prozent allen maritimen Lebens. Unter den Ökosystemen unseres Planeten haben sie eine Schlüsselfunktion und sterben in einem erschreckenden Tempo. In den letzten Jahrzehnten haben wir fast die Hälfte der Korallenriffe weltweit verloren und bis 2050 werden wir voraussichtlich mehr als 90 Prozent aller Riffe verlieren. Das ist nicht nur eine ökologische Tragödie, sondern auch ein ernstes sozioökonomisches Problem, weil die Existenzgrundlage von bis zu einer Milliarde Menschen in der ganzen Welt von diesen Korallenriffe abhängt.
Wie funktioniert die Riffsanierung?
Man fängt mit dem Züchten von Korallen an. Das gibt es seit etwa 15 Jahren. Traditionell bindet man Korallen an Schnüre im Meer und solange es sich um gewisse schnellwachsende Korallenarten handelt, wachsen sie etwa sechs Monate, dann kann man sie aufs Riff verpflanzen. Derartige Projekte haben gezeigt, dass man tote Riffe so wieder zum Leben erwecken kann. Aber ihre Auswirkungen sind sehr begrenzt, weil sie nicht skalierbar sind. Man muss im Grunde neben jedes Riff, das man sanieren möchte, so eine Farm bauen. Leider kann man jedoch nur wenig dafür tun, um sicherzustellen, dass die Korallen überleben, wenn man sie verpflanzt hat. Oft sterben sie schon bei der nächsten vorübergehenden Meereserwärmung wieder ab.
Und inwiefern ist Ihr Ansatz anders?
Wir bauen Korallenfarmen an Land und berücksichtigen dabei neue Techniken, die von mehreren Forschungsinstituten entwickelt wurden, unter anderem unseren Partnern beim Mote Marine Laboratory in den Florida Keys und beim Hawai'i Institute of Marine Biology. Diese Farmen sind vom Prinzip Wasserbecken, durch die wir Meerwasser pumpen können und in denen wir die Wachstumsbedingungen kontrollieren können. Das erlaubt uns mehrere Dinge: Zum Beispiel können wir das Wachstum der Korallen, verglichen mit dem Wachstum in der Natur, um das bis zu 50-Fache steigern. Das tun wir mit sogenanntem "Microfragmenting".
Darüber hinaus erlaubt uns dieses Zuchtsystem, die Korallen gegen die Erwärmung und Versauerung der Meere resistenter zu machen. Wir können in den Becken die Temperatur erhöhen oder den pH-Wert senken und die Korallen können lernen, unter diesen Bedingungen zu überleben und gegen diese Klimabedingungen resistent zu werden. Wir können auch sehen, welche einzelnen Korallen am besten mit wärmeren Bedingungen im Meer klarkommen und diese dann als Grundlage für unsere nächste Korallenzucht einsetzen.
Mehr zum Thema: Nach Sperrung: Korallen in Thailands Maya Bay blühen auf
Diese Technik nennt man "assisted evolution" ("unterstützte Evolution"). Unsere Farmen sind auch viel skalierbarer. Wir können einfach mehr Becken zu unserer Zuchtanlage hinzufügen. Wenn die Anlage groß genug ist, können wir so in einer einzigen Anlage Hundertausende oder sogar Millionen von Korallen züchten und sie in einer Region verteilen. Diese Größeneffekte zu nutzen, um von einer einzigen Zuchtstätte Korallen für Riffsanierungsprojekte zu liefern, ist eine neue Herangehensweise.
Könnten Sie kurz erklären, wie dieses "Microfragmenting" funktioniert?
Korallen wachsen in Kolonien aus einzelnen Polypen. Jedes Tier ist also ein Polyp und in einer einzigen Koralle leben Hunderte oder Tausende dieser Polypen. Wir zerbrechen diese Korallen in so kleine Teile, dass wir am Ende einzelne Polypen haben und diese winzigen Stücke breiten wir aus. Sobald sie in dieser kleinen Form sind, wachsen sie viel schneller und verschmelzen dann wieder zu größeren Korallen. Diesen Prozess wiederholen wir immer immer wieder: Korallen auseinanderbrechen, wieder verschmelzen, auseinanderbrechen, verschmelzen.
So sorgen wir dafür, dass die Korallen im Vollgas-Wachstumsmodus bleiben und viel schneller wachsen. Das ist bei langsam wachsenden Arten wie den Steinkorallen besonders wichtig. Diese bilden das Fundament der Riffstruktur, aber bei traditionellen Riffsanierungsprojekten konnte man sie nicht züchten, weil sie sehr langsam wachsen. Wir können diese Korallen jetzt miteinbeziehen, was wichtig ist, weil wir so viele Arten wie möglich einsetzen wollen.
Mehr zum Thema: Australien will mit Millioneninvestition das Great Barrier Reef retten
Sagen wir mal, Sie würden bei null anfangen. Wie lange würde es dauern, ein lebendiges, gesundes Riff aufzubauen?
Wenn wir bei null anfangen, mit dem Einsammeln von Korallen, die wir in unserer Farm züchten wollen, dann wären es etwa sechs oder acht Monate, bevor wir die ersten Korallen auf das Riff verpflanzen könnten. Es würde etwa ein Jahr dauern, bis das Riff gut aussieht, bis Fische zurückkehren und bis es einem echten Riff ähnelt. Der entscheidende Punkt ist: Wir versuchen nur Korallen an Orten zu pflanzen, an denen sie auch eine Überlebenschance haben. Nicht jedes Riff lässt sich sanieren. Wir versuchen an Orten zu arbeiten, wo die örtlichen Stressfaktoren, Dinge wie Überfischung und Verschmutzung, schon ein Stück weit behoben worden sind. Damit wir nichts an einen Ort pflanzen, wo es keine Überlebenschance hat.
Wen sehen Sie als Ihre potenziellen Kunden?
Wir sind ein gewinnorientiertes Unternehmen, das ist neu im Bereich Riffsanierung. Bis jetzt war dieser Bereich komplett durch Fördergelder und Spenden finanziert, aber wir verkaufen die Dienstleistung der Riffsanierung an Stakeholder, die von einem gesunden Riff profitieren. Das könnten wohlhabende Leute sein, die einfach gerne ein Riff vor der Haustür hätten. Aber wir sehen auch viel Interesse bei Hotels und Ferienanlagen oder bei Immobilienentwicklern, die neue Objekte bauen. Oder auch Unternehmen wie Kreuzfahrt-Reedereien.
Mehr zum Thema: Studie: Hitzewelle zerstörte Teile von Australiens Great Barrier Reef
Wenn Riffe durch Ausbaggern oder den Bau eines Kreuzfahrthafens zerstört werden, können diese Unternehmen uns dafür bezahlen, das Riff zu sanieren. Es gab auch schon Interesse von Regierungen und internationalen Entwicklungsträgern. Durch derartige Big Player können wir die Größenordnungen erreichen, die angesichts des Ausmaßes der Zerstörung der Riffe und der Größe des Problems nötig sind.
Gator Halpern ist Mitbegründer von Coral Vita. Bevor er das Riffsanierungsunternehmen gründete, studierte er Umweltmanagement an der Yale University. Er hat auch an internationalen Entwicklungsprojekten in Peru, Brasilien und Südafrika gearbeitet und war Mitglied des Global Marine Programms des World Wildlife Fund.
Das Interview führte Harald Franzen. Es wurde im Sinne des besseren Verständnisses bearbeitet.