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Korallen von Akaba trotzen dem Klimawandel

Marta Vidal
17. Januar 2022

Die Korallen im Golf von Akaba im Roten Meer ertragen höhere Temperaturanstiege als ihre Artgenossen anderswo. Könnte mit ihrer Hilfe das massenhafte Korallensterben auf der Welt aufgehalten werden?

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Bunte Korallen und Fische im Golf von Akaba in Jordanien
Die Korallenriffe von Akaba sind so widerstandsfähig gegen die Wassererwärmung wie keine anderen auf der WeltBild: Maoz Fine

Schon ganz früh bei Sonnenaufgang geht es geschäftig zu. Im kristallklaren warmen Wasser kommen unzählige Fische aus ihren Verstecken in den bunten Korallen. Aale, Schildkröten und Kraken gesellen sich zu ihnen - ein fröhliches Durcheinander. Im Golf von Akaba, ganz im Norden des Roten Meeres, scheint die Welt noch in Ordnung. Die Korallenbleiche, die viele andere Korallenriffe überall auf der Welt heimgesucht hat, gibt es hier nicht.

Korallen sind sehr sensible Meerestiere, die meisten können nur innerhalb eines engen Temperaturbereichs überleben. Weltweit steigen jedoch die Wassertemperaturen in den Ozeanen. Dadurch wird die Symbiose von Korallen und Algen gestört, denn durch den Hitzestress produzieren Algen bei der Photosynthese nicht nur Zucker, also den lebenswichtigen Nährstoff für die Korallen, sondern auch Gifte. Um sich zu schützen, bleibt den Korallen nichts anderes übrig, als die Algen abzustoßen. Die Folge: Die Korallen bleichen aus. Schaffen sie es nicht, sich davon zu erholen, sterben sie ab - ganze Ökosysteme können zusammenbrechen. 

In nur einem Jahrzehnt sind auf diese Weise 14 Prozent aller Korallenriffe verloren gegangen. Seit den 1950-er Jahren hat sich wegen der globalen Erwärmung, aber auch durch die Verschmutzung und Zerstörung der Lebensräume, die Zahl der Korallenriffe weltweit halbiert. Experten gehen davon aus, dass in den kommenden Jahrzehnten insgesamt bis zu 90 Prozent von ihnen abgestorben sein könnten.

Infografik Karte Golf von Akaba

Doch ganz im Norden des Roten Meeres gibt es Hoffnung. Die Zunahme der Wassertemperatur scheint die Korallen von Akaba nicht zu beeinträchtigen.

"Wir haben festgestellt, dass den Korallen in Akaba Temperaturen weit über dem sommerlichen Höchstwert von 27 Grad Celsius nichts anhaben können", sagt Maoz Fine. Er ist Professor am "Interuniversity Institute for Marine Sciences", einem Institut für Meereskunde, in Eilat in Israel. Der Wissenschaftler hat die Forschungen zur Hitzeresistenz der Korallen in der Region geleitet.

Hoffnung aus dem Roten Meer?

Im Rahmen der Studie entwarfen Fine und sein Team ein Aquariensystem, in dem sie mögliche künftige Bedingungen im Roten Meer simulierten. Mit ihren Experimenten wollten die Wissenschaftler herausfinden, was die Korallen in Akaba so widerstandsfähig macht.

Die meisten Korallen bleichen bereits bei Temperaturanstiegen um ein bis zwei Grad über ihrem Normalbereich aus. In ihren Experimenten haben die Forscher zeigen können, dass den Korallen von Akaba sogar Temperaturen um bis zu sechs Grad Celsius darüber nichts anhaben können. 

"Wir haben etwa 20 verschiedene Korallenarten untersucht. Sie alle zeigten eine hohe Toleranz gegenüber thermischem Stress", so Fine. "Trotz steigender Temperaturen bleichten die Korallen nicht aus."

Die Wissenschaftler vermuten als Ursache für die Hitzebeständigkeit der die letzte Eiszeit vor rund 20.000 Jahren. Damals waren die Korallen aus dem Indischen Ozean ins Rote Meer gelangt. 

Auf ihrem Weg in den Golf von Akaba mussten die Meerestiere den Golf von Aden und den südlichen Teil des Roten Meeres durchqueren. Dort sind die Wassertemperaturen viel höher. Über Generationen hinweg wanderten jeweils die Larven der überlebenden Korallen nach Norden und besiedelten Gebiete mit deutlich niedrigeren Wassertemperaturen. Ihre Hitzebeständigkeit behielten die Korallen jedoch.

Fischschwärme an einem Korallenriff im Golf von Akaba im Roten Meer
Korallen sind das Zuhause für eine große Vielzahl an Meeresbewohnern, die durch den Klimawandel akut gefährdet sindBild: Maoz Fine

"Durch die natürliche Selektion entwickelten sich so Korallen, die hohe Temperaturen tolerieren. Heute leben sie bei Temperaturen, die etwa sechs Grad unter ihrer Bleichschwelle liegen", erklärt Fine.  

Obwohl Korallen auch in anderen Regionen an wärmere Gewässer angepasst sind, gibt es laut Fine keine weiteren Korallen, bei denen die Differenz zwischen den Höchsttemperaturen ihres Lebensraumes und ihrer Bleichschwelle so groß ist. "Der Golf von Akaba ist einer der wenigen Orte, von dem wir wissen, dass die Korallen die globale Erwärmung hier überleben können", sagt er.

Angesichts der weltweiten massiven Zerstörung von Korallenriffen durch die steigenden Temperaturen hoffen Forscher und Naturschützer, dass der Golf von Akaba zu einem Zufluchtsort für die verbliebenen Korallen der Welt werden könnte.

Könnten die Korallen von Akaba anderen Riffen helfen?

"Die Korallen von Akaba könnten eine Grundlage sein für die Wiederbesiedlung anderer Riffe, deren Korallen längst absterben", so Manuel Aranda, Meeresbiologe an der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Saudi-Arabien. Das Problem, so Aranda, ist aber das Ausmaß.

"Das Great Barrier Reef ist so groß wie Italien. Ein Riff kann man nicht wiederbeleben, in dem man einfach Samen ausbringt, wie man das von Land kennt", erklärt er. Es ist viel komplizierter. Taucher müssen absteigen und dann Korallenfragmente, die zuvor in entsprechenden Plantagen gezüchtet wurden, von Hand einsetzen.

Ausgeblichene Korallen am Great Barrier Reef, Australien
Am Great Barrier Reef sind bereits viele Korallen den steigenden Meerestemperaturen zum Opfer gefallenBild: David Bellwood/ARC Centre of Excellence for Coral Reef Studies/AP/picture alliance

Solche Korallenbaumschulen sind kostspielig und zeitaufwändig. Die Ansiedlung neuer Arten in einer Region ist oft sehr schwierig. Aranda gehört zu einer Forschungsgruppe an der KAUST, die daran arbeitet, hitzeresistente Korallen zu identifizieren und sie mit Korallenpopulationen anderswo zu kreuzen, um so deren Hitzetoleranz zu erhöhen.

"Normalerweise dauert es viele Generationen bis sich Korallen an eine neue Umgebung anpassen", so Aranda. Aber der Planet erwärmt sich schneller. Er hofft, den genetischen Austausch zu beschleunigen, damit die Korallen eine Chance haben, mit den steigenden Temperaturen Schritt zu halten: "Wir hoffen, dass wir mit Hilfe von Kreuzungen die Korallen nicht mehr pflanzen müssen, sondern dass sie sich selbst vermehren."

Dennoch braucht auch diese Methode Zeit. Fine glaubt nicht, dass sie in großem Maßstab funktioniert. Statt zu versuchen, Korallen anderswo zu züchten, sollte seiner Meinung nach der Schwerpunkt auf der Identifizierung und Erhaltung widerstandsfähiger Riffe liegen.

"Was wir aber anbieten können, sind Erkenntnisse darüber, welche Gene einst im Süden selektiert wurden, als die Korallen ins rote Meer gelangten und was das wiederum für ihre Belastbarkeit bei Hitze bedeutet", so Fine.

"Wir sind es künftigen Generationen schuldig"

Rund ein Viertel aller Arten, die in Meeren leben, sind in oder in unmittelbarer Nähe von Korallen zu Hause. Damit gehören Korallenriffe zu den weltweit artenreichsten Lebensräumen.

"Der Golf von Akaba hat ein sehr vielfältiges Ökosystem", sagt der jordanische Naturschützer Ehab Eid. "In Jordanien haben wir 157 Arten von Steinkorallen identifiziert und es gibt mehr als 500 Fischarten. Über die Hälfte von ihnen ist von den Korallen abhängig." 

Ein Fischer steht in einem kleinen Boot im Hafen der jordanischen Stadt Akaba
Der Fang Fischer in der jordanischen Stadt Akaba ist vom einem intakten Korallen-Ökosystem abhängig Bild: Marta Vidal

Korallenriffe sind aber nicht nur wichtige Lebensräume für ihre Bewohner. Sie liefern zugleich Nahrung und Rohstoffe für Medikamente. Sie schützen die Küsten und sichern  den Lebensunterhalt von mehr als 500 Millionen Menschen weltweit.

Trotz ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber hohen Temperaturen sind die Korallen von Akaba in Gefahr. Umweltverschmutzung und eine nicht nachhaltige Entwicklung der städtischen Küstengebiete setzen den Riffen zu. Das wiederum bedeutet eine Gefahr für den Lebensunterhalt vieler Menschen in Jordanien, Israel, Saudi-Arabien und Ägypten, die von der Fischerei und dem Tourismus leben.

"Für die Fische sind die Korallen unverzichtbar", sagt Ibrahim Riady. Seit mehr als zwei Jahrzehnten arbeitet der Fischer in der jordanischen Stadt Akaba. "Unser Einkommen hängt von ihnen ab." Er und andere Fischer aus der Gegend erzählen, dass ihre Fänge in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen sind.

Wissenschaftler fordern deswegen den Schutz des Riffs. "Die Korallenriffe im Golf von Akaba könnten zu den letzten gehören, die es am Ende dieses Jahrhunderts überhaupt noch geben wird", sagt Eid. "Wir haben hier einen unglaublichen Schatz. Und wir sind es künftigen Generationen schuldig, ihn zu bewahren."