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Kontroverse um Stasivergangenheit Budapester Politiker

28. August 2002

– Leiter des Untersuchungsausschusse will Namensliste veröffentlichen - Opposition gegen Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse

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Budapest, 28.8.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Denes Vajta

Seit Wochen reißt die Diskussion über die Rechtslage des so genannten Mecs-Untersuchungsausschusses nicht ab, der die geheimdienstliche Involvierung ehemaliger Regierungsmitglieder aufdecken soll. Vertreter der Regierungsparteien sind zur Veröffentlichung der Namen der Stasi-Mitarbeiter entschlossen, Mitglieder der Opposition bestreiten die Rechtmäßigkeit des Vorgehens. Vergangene Woche wurde bekannt, dass Ex-Phare-Minister Imre Boros und Notenbankchef Zsigmond Jarai ebenfalls eine geheimdienstliche Vergangenheit aufweisen.

Geheimdienstminister Elemer Kiss traf am Mittwoch die Entscheidung, die Einstufung der Daten der vom Mecs-Ausschuss belasteten Politiker als "streng geheim" aufzuheben. Der Beschluss betrifft acht Politiker, das sie belastende Material liegt beim Amt für Nationale Sicherheit und bei der Informationsbehörde. Über weitere zwei betroffene Politiker muss das Verteidigungsministerium entscheiden.

Die Opposition läuft Sturm gegen die Absicht des Leiters des Untersuchungsausschusses, Imre Mecs, die Ergebnisse zu veröffentlichen. Dieses Vorhaben mache die Tätigkeit des Ausschusses unrechtmäßig. Die Politiker von Fidesz und MDF nehmen deshalb weiterhin nicht an der Arbeit des Ausschusses teil. Fidesz-Politiker verweisen außerdem auf die Stellungnahme des Landesdatenschutzbeauftragten Attila Peterfalvi, der die Ansicht vertritt, dass eine Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse erst nach einer entsprechenden Gesetzesänderung und nicht schon mit einem Parlamentsbeschluss möglich sei.

Ihrer Ansicht nach diene die Angelegenheit nur dazu, von der geheimdienstlichen Vergangenheit Peter Medgyessys abzulenken. In Wirklichkeit habe die Opposition sich die ganze Sache durch ihr forsches Auftreten in der Medgyessy-Affäre eingehandelt. Dass die Regierung die Gelegenheit benutze, zurück zu schlagen, kann nicht wunder nehmen. Imre Boros, ehemaliger Phare-Minister, sei wahrscheinlich nicht der einzige, der dabei auf der Strecke bleibe. Boros blieb einige Tage nach dem Durchsickern der Information über seine Stasivergangenheit unauffindbar, dann bestritt er heftig die Echtheit der ihn belastenden Dokumente.

Nationalbankpräsident Zsigmond Jarai, der ebenfalls belastet wurde, gab zu, eine Erklärung unterschrieben zu haben, dass er seine Berichte über die Beurteilung der Wirtschaftslage des Landes durch das Ausland auch dem Innenministerium zusenden werde. Jede weitere Tätigkeit habe er aber abgelehnt, so Jarai.

Nach Informationen von Karoly Toth, sozialistisches Mitglied des Mecs-Ausschusses, hätten in irgendeiner Form nachweislich fünf Mitglieder des Antall-Boros-Kabinetts, zwei der Horn-, vier der Orban- und ein Mitglied der Medgyessy-Regierung mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet. Zwei Namen sind identisch, offenbar jener des jetzigen Premiers.

Allerdings gibt es auch Juristen und Publizisten, die dem Regierungslager nahe stehen und die Rechtmäßigkeit einer Veröffentlichung der Namen der betroffenen Politiker bezweifeln. An spitzfindigen Argumenten pro und kontra gab es in den letzten Wochen keinen Mangel. Die Überzeugung von Imre Mecs, die er von Anfang an unbeirrt vertrat, dass bei Politikern wegen ihrer öffentlichen Rolle ein anderes Maß anzulegen sei als bei Normalbürgern, scheint jedoch immer mehr auch unabhängige Juristen zu überzeugen.

Einen Ausweg aus dem Dilemma hätte geboten, wenn alle betroffenen Politiker ihre Zustimmung zur Veröffentlichung gegeben hätten. Dazu waren jedoch nur die Regierungspolitiker restlos bereit, so dass es unvermeidlich zu weiteren Konfrontationen kommen wird. Imre Mecs bat wiederholt die oppositionellen Mitglieder des Ausschusses, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, andernfalls werde er die Veröffentlichung mit einem neuen Parlamentsbeschluss durchsetzen.

Wirbel verursacht auch weiter der zweite Ausschuss, der die Vergangenheit von Premier Peter Medgyessy untersucht. Oppositionelle Mitglieder des Ausschusses fanden die Frist für ihre Arbeit nicht ausreichend und wollen ihre Tätigkeit im Herbst fortsetzen. (ykk)