Kongo hofft auf Regulierung
11. Oktober 2012Die Rohstoffbranche boomt. Tantal, Kupfer, Gold - all diese Metalle erzielen auf dem Weltmarkt zurzeit Rekordpreise. Und all diese Metalle finden sich in der Demokratischen Republik Kongo. 50 bis 60 Prozent der Bevölkerung im Osten des Landes leben direkt oder indirekt von der Rohstoffförderung. Doch die Arbeiter in den Minen profitieren wenig von den hohen Kursen. Nach wie vor reicht das Einkommen der Kleinbergleute kaum zum Überleben. Laut einer Studie, die das Bonner Internationale Konversionszentrum (BICC) in Zusammenarbeit mit dem Südwind Institut für Ökonomie und Ökumene herausgegeben hat, liegt das Einkommen der Bergleute in Kongos Goldminen oft unter dem gesetzlichen Mindestlohn von drei Dollar pro Tag. "Erst einmal profitieren die Zwischenhändler und Exporteure", sagt Marie Müller, Mitautorin der BICC-Studie "Auf der Suche nach dem sauberen Gold". Nach dem Abbau geht das Gold an internationale Handelspartner oder Schmugglerringe. "Neben diesen wirtschaftlichen Akteuren profitieren aber zum Teil auch Militärs und Milizen, die bestimmte Gebiete des Kongo kontrollieren und Steuern erheben oder direkt am Schmuggel beteiligt sind."
Hier liegt die Kehrseite von Kongos Rohstoffreichtum. Dem Land fehlen die staatlichen Strukturen, um den Weg der Bodenschätze zu kontrollieren - 95 Prozent des Goldes, schätzt Müller, verlassen den Kongo auf illegalem Weg, vorbei an der Staatskasse. In einer Region, die seit Jahrzehnten vom Krieg geprägt ist, profitieren diejenigen, die in der Lage sind, ihren Willen mit Waffengewalt durchzusetzen - seien es lokale Milizen oder Soldaten aus den Nachbarländern. UN-Expertenberichte belegen, dass besonders Ruanda und Uganda wiederholt von der illegalen Ausbeutung kongolesischer Minen profitierten. Während sie Teile des Kongo besetzt hielten, stiegen die Rohstoffexporte dieser Länder um ein Vielfaches. Sie exportierten mehr, als sie auf eigenem Gebiet abgebaut haben konnten. Der Erlös floss dabei oft in die Finanzierung des Krieges.
Der Weg der Rohstoffe
Die Erze, die im Kongo abgebaut werden, sind ein wichtiger Bestandteil bei der Produktion von Handys und Computerteilen. Wie aber kann vermieden werden, dass das Handy, das in Deutschland verkauft wird, Konflikte im zentralen Afrika finanziert? Michael Priester war im Auftrag der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Kongo unterwegs. Dort betreute er die ersten Schritte auf dem Weg zu einer Zertifizierung von Rohstoffen. Diese Zertifizierung ist nun im Kongo Gesetz - doch die Umsetzung bereitet Probleme. Von der Gewinnung bis zum Endabnehmer solle der Weg der Metalle nachvollziehbar gemacht werden, erklärt Priester. "Das ist insofern relativ schwierig, als das Material nicht nur transportiert, sondern auch weiterverarbeitet und wieder in unterschiedliche Bestandteile zerlegt, getrennt, aufbereitet, konzentriert wird." In einem Container, der schließlich verschifft wird, fände sich bisweilen eine Mischung von Metallen aus über 200 verschiedenen Abbaugebieten. "Das macht deutlich, wie schwierig es ist, diese Nachweise dann auch sicher zu führen und sicher zu sein, dass keine nicht zertifizierten Metalle mit in die Handelskette eingeschleust werden."
Die Europäische Union denkt nun über ein Gesetz zur Transparenz im Rohstoffhandel nach. Die Vorlage bildet ein US-amerikanisches Gesetzespaket, das in den letzten Jahren für Aufsehen gesorgt hat. Der sogenannte Dodd-Frank-Act, der Anfang 2013 in Kraft treten soll, schreibt börsennotierten Unternehmen vor, ihre Zahlungen offenzulegen. Die Hoffnung: Wenn bekannt wird, wie viel Regierungen am Handel verdienen, stehen diese unter Druck, die weitere Verwendung dieser Gelder nachzuweisen. Die Bevölkerung in den rohstoffreichen Regionen könnte dann auch ihren Teil einfordern. Die Gesetze, die nun im Kongo und auch in den Nachbarländern Ruanda und Uganda erprobt werden, sind letztlich auch eine Reaktion auf Dodd-Frank – ein erster Erfolg also.
Kein Gesetz ohne Kontrolle
Doch je komplexer die Gemengelage, desto schwieriger erweist sich die Umsetzung. "Bei den ruandischen Grubenbetrieben hat die Zertifizierung wunderbar funktioniert", meint Priester. "Bei den Weiterverarbeitungsunternehmen, die sehr viel Material aus dem Kongo beziehen, hat das nicht funktioniert - weil die natürlich keine Herkunftsnachweise aus dem Kongo bekommen haben oder gleich wissen, dass das Material aus Konfliktgebieten kommt." Auch Marie Müller vom BICC bleibt zurückhaltend: "Die Liste an Hoffnungen ist sehr lang. Ich denke, dass ein großer Teil dieser Hoffnungen sich durch die Zertifizierung nicht erfüllen lässt." Müller nimmt an, dass es zunächst nur "Inseln der Zertifizierung" geben werde. Zu vielfältig sind die Probleme, zu knapp die Mittel, um Kontrollen flächendeckend umzusetzen. "Die Minen werden sich nicht allein durch die Zertifizierung demilitarisieren lassen, die Kapazitäten der Bergbauverwaltung werden sich auch nicht automatisch dadurch verbessern. Und an der ganzen Infrastruktur der Zertifizierung hapert es noch sehr."
Eins liegt nahe: Die Offenlegungspflicht der Zahlungen würde helfen, internationale Unternehmen in die Verantwortung zu ziehen. Doch damit die Bevölkerung wirklich profitiert, müssen die staatlichen Strukturen im Kongo aufgebaut werden. Daran führt kein Weg vorbei.