Konflikt zwischen Moskau und Kiew eskaliert
28. November 2018Am Montag hatte das ukrainische Parlament auf Antrag von Staatschef Petro Poroschenko beschlossen, ein 30-tägiges Kriegsrecht in den Grenz- und Küstenregionen der Ukraine zu verhängen. Nun setzte Poroschenko das Kriegsrecht durch seine Unterschrift in Kraft. Ministerpräsident Wolodimir Groisman sagte im Parlament, die Ukraine müsse immer in der Lage sein, "der Aggression unseres Feindes entgegenzutreten, der vor nicht allzu langer Zeit unser Nachbar war".
Poroschenko: "Gefahr eines umfassenden Krieges"
Poroschenko hatte Moskau am Dienstag eine massive Truppenverlegung an die Grenze vorgeworfen und vor einem Krieg gewarnt. Die russische Armee habe die Zahl der Panzer an ihren Stellungen entlang der Grenze verdreifacht, sagte Poroschenko im ukrainischen Fernsehen. Auch die Zahl der dort stationierten Einheiten sei "dramatisch gestiegen". Es bestehe die Gefahr eines "umfassenden Krieges".
Die Krise zwischen Russland und der Ukraine hatte am Sonntag mit einer Konfrontation im Schwarzen Meer begonnen. Die russische Küstenwache hatte in der Straße von Kertsch vor der Halbinsel Krim drei ukrainische Marineschiffe beschossen und aufgebracht. Mehrere ukrainische Marinesoldaten wurden dabei verletzt, insgesamt 24 Besatzungsmitglieder wurden festgenommen.
Die russische Armee kündigte an, ihre Truppen auf der Krim mit Luftabwehrraketen zu verstärken. In "naher Zukunft" sollten dort weitere Anlagen des modernen Raketenabwehrsystems S-400 in Betrieb genommen werden, sagte ein Sprecher des südlichen Militärbezirks der Nachrichtenagentur Interfax. Laut der Nachrichtenagentur RIA Nowosti sollen die Luftabwehrraketen bis zum Jahresende installiert werden. Auf der Krim sind bereits drei S-400-Systeme stationiert.
Putin: "Küstenwache tat nur Ihre Pflicht"
Präsident Wladimir Putin wies Kritik am Vorgehen der russischen Küstenwache zurück. Sie habe lediglich "ihre militärische Pflicht" getan, sagte Putin bei einer Wirtschaftskonferenz in Moskau. Der Schutz der russischen Grenze sei die Aufgabe der Küstenwache. Auf Warnungen der russischen Schiffe hätten die ukrainischen Schiffe nicht reagiert.
Die Eskalation des Konflikts zwischen Kiew und Moskau sorgt auch für neue Spannungen zwischen Russland und dem Westen: US-Präsident Donald Trump sagte der "Washington Post", sein geplantes Treffen mit Putin am Rande des G20-Gipfels in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires werde "vielleicht" nicht stattfinden. Er warte zunächst auf einen Bericht seiner Sicherheitsberater zum Zwischenfall vor der Krim. Der Kreml geht aber weiterhin davon aus, dass das Treffen am Rande des am Freitag beginnenden G20-Gipfels stattfinden wird. "Die Vorbereitung geht weiter, das Treffen ist vereinbart", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow in Moskau.
Seibert: "Sanktionen werden einstimmig beschlossen"
Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft brachte angesichts des russischen Vorgehens weitere Sanktionen gegen Moskau ins Spiel. Zunächst müsse aber geklärt werden, was genau am Sonntag vorgefallen sei, sagte die österreichische Außenministerin Karin Kneissl. Derzeit stehe bezüglich der Konfrontation "Aussage gegen Aussage". Dagegen will die deutsche Regierung vorläufig nicht über neue Sanktionen gegen Russland entscheiden. Regierungssprecher Steffen Seibert verwies in Berlin darauf, dass die laufenden Wirtschaftssanktionen noch bis Ende Januar in Kraft seien. Über eine mögliche Verlängerung müsse mit allen Partnern in der EU gesprochen werden - "denn Sanktionen werden in Europa einstimmig beschlossen".
US-Gesandter: Europa muss Strafmaßnahmen konsequenter anwenden
Der US-Sondergesandte für den Ukraine-Konflikt, Kurt Volker, rief die europäischen Staaten in diesem Zusammenhang dazu auf, ihre bestehenden Strafmaßnahmen gegen Russland konsequenter anzuwenden. Dies sollten die Europäer zunächst angehen - und erst danach über mögliche neue Sanktionen nachdenken, sagte Volker in einem Interview der Deutschen Welle.
Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, verlangte eine deutliche Reaktion der Bundesregierung. Deutschland müsse Putin in die Schranken weisen, sagte er im Deutschlandfunk. Er schlug ein Ultimatum vor, um die Freilassung der festgesetzten Soldaten zu erzwingen. Als Druckmittel empfahl er ein Verbot aller Öl- und Gasimporte. Zudem könne die Entsendung der deutschen Marine ins Schwarze Meer zu einer Deeskalation beitragen.
sti/stu (afp, dpa, rtr)