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Wer zahlt künftig für Flüchtlinge?

11. April 2015

Der Bund erwartet in diesem Jahr 300.000 Flüchtlinge in Deutschland. Die Länder gehen sogar von wesentlich mehr aus. Verantwortung will niemand so richtig tragen, die Kommunen fühlen sich von den Mehrkosten überfordert.

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Gegendemonstration NPD-Kundgebung
Bild: picture-alliance/dpa

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow verlangt angesichts steigender Flüchtlingszahlen mehr finanzielle Unterstützung durch den Bund. "Die Prognosen, auf deren Basis im letzten Jahr verhandelt wurde, sind Geschichte", sagte der Linke-Politiker der Zeitung "Die Welt". Thüringen erhalte in diesem Jahr vom Bund 13 Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen. Die tatsächlichen Kosten könnten laut Ramelow am Ende aber im dreistelligen Millionenbereich liegen. "Es muss neu verhandelt werden", forderte er.

Gabriel: "Nicht zum Streitthema werden lassen"

Vizekanzler Sigmar Gabriel hatte zuvor den Kommunen in Aussicht gestellt, dass sich der Bund stärker an den Kosten der Unterbringung von Flüchtlingen beteiligt. Damit erhöht er auch den Druck auf den Koalitionspartner. "Wir sollten die Entlastung der Kommunen nicht zum Streitthema werden lassen", sagte der SPD-Vorsitzende der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin. Es dürfe nicht sein, dass Städte und Gemeinden am Ende nicht mehr ihren originären Aufgaben nachkommen könnten. "Wenn aufgrund hoher Flüchtlingskosten die Sporthallen belegt sind und die Sanierung der Schulen gestoppt wird, stellen sich die Menschen gegeneinander auf. Hier geht es um den sozialen Zusammenhalt und die Verhinderung sozialer Konflikte", so Gabriel weiter. Die Verteilung der Asylkosten solle Teil der Debatte über eine Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs werden.

"Gesamtgesellschaftliche Aufgabe"

Für die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern sind die Länder und vor allem die Kommunen zuständig. Angesichts der wachsenden Flüchtlingszahlen fühlen sie sich mit dieser Aufgabe überfordert und verlangen mehr Engagement vom Bund. "Es ist Aufgabe der Kommunen, sich um diese Menschen zu kümmern", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der dpa. "Die Finanzierung ist jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe".

Karte Verteilung der Asylbewerber in Deutschland

Die Verantwortung für die Mehrkosten der Flüchtlingsunterbringung sehen Bund und Länder bislang aber beim jeweils anderen. CDU-Politiker verweisen darauf, dass Ländern und Kommunen für 2015 und 2016 insgesamt eine Milliarde Euro für die Flüchtlingsversorgung bereitgestellt würden. Wolfgang Bosbach, der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses erklärte in einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse": "Wenn viele Kommunen dennoch über ständig steigende Kosten klagen, ist das angesichts der ganz unterschiedlichen Erstattungspraxis der Länder verständlich". Bayern erstatte seinen Städten und Gemeinden fast hundert Prozent der Asylkosten, Nordrhein-Westfalen hingegen nur gut die Hälfte, so der CDU-Politiker weiter. Auch der Unions-Innenpolitiker Stephan Mayer sieht die Bundesländer am Zug. Wenn die Länder ihren Beitrag erhöhten, könne er sich allerdings vorstellen, dass sich auch der Bund stärker beteilige. Die finanzielle Vereinbarung für die nächsten beiden Jahre nannte er aber endgültig. Für Städte und Gemeinden würde es demnach bei der Unterstützung in Höhe von einer Milliarde Euro bleiben.

Diskussionsbedarf nach Tröglitz

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schätzt, dass in diesem Jahr rund 300.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. 2014 waren es noch etwa 100.000 weniger. Die Frage danach, wie die Zuständigkeiten für Asylbewerber künftig verteilt werden, wird folglich drängender.

Durch die Geschehnisse in Tröglitz hat die Diskussion zusätzlich an Brisanz gewonnen. In der Kleinstadt in Sachsen-Anhalt trat erst der Ortsbürgermeister zurück, nachdem er und seine Familie wegen der geplanten Asylbewerberunterkunft von Rechtsextremen bedroht worden waren. Vergangenes Wochenende wurde dann offenbar vorsätzlich ein Feuer in dem weitgehend leer stehenden Gebäude gelegt, in dem ab Mai 40 Flüchtlinge untergebracht werden sollten.

nin/sp (dpa, kna)