Kommt die Frauenquote in Indien?
15. April 2010Lange bevor Deutschland auch nur von seiner ersten Kanzlerin träumte, da hatte Indien 1966 mit Indira Gandhi bereits seine erste Regierungschefin. Doch sie, die Tochter von Indiens erstem Ministerpräsident Jawaharlal Nehru, steht gleichzeitig auch sinnbildlich für ein Übel der indischen Politik.
Denn als Frau hat in der Politik nur eine Chance, wer über familiäre Verbindungen, Geld und Einfluß oder einen Mentor verfügt. Ausnahmen sind selten. Die Frauenrechtlerin Madhu Kishwar ist der Ansicht dass es gerade deshalb es die Pflicht jeder einflussreichen Frau sei, sich auch für andere Frauen im Land einzusetzen. Indira Gandhi habe diese Chance verspielt, meint sie. "Ihr ging es nur darum, andere Frauen neben sich auszustechen. Für sie war es wichtig der einzig 'wahre Mann' im Kabinett zu sein."
Frauen deutlich unterrepräsentiert
Trotz aller wirtschaftlichen Erfolge und dem - in den Städten teilweise verwestlichten - Lebensstil, sind Frauen in Indien immer noch in vielerlei Hinsicht benachteiligt. Traditionell ist die indische Gesellschaft patriarchalisch geprägt. Die Alphabetisierungsrate von Frauen liegt deutlich unter der der Männer. Denn gerade in ärmeren und kinderreichen Familien wird die Schulbildung der Mädchen oft zugunsten der Jungen geopfert. Jungen gelten als Altersversicherung, Mädchen werden früh verheiratet. Derzeit gibt es im Unterhaus von Neu Delhi nur 59 Frauen bei 545 Mandaten, das sind 10,8 Prozent. Im Oberhaus sind es sogar noch weniger, nur etwa neun Prozent.
Nachdem Frauen bereits vor einiger Zeit mit einer Frauenquote in den Dorfräten - den sogenannten Panchayats - Einzug gehalten haben, fordert die Rechtsanwältin Kamini Jaiswal jetzt endlich auch ein Ende des zermürbenden Tauziehens um das Gesetz. Es ginge hier schließlich um eine revolutionäre Vision, die mit alten Klischees aufräumen solle. "Nach Jahrhunderten gehen die Frauen in diesem Land endlich vor die Tür. Aber von Gleichberechtigung sind wir noch weit entfernt." Dennoch habe sich schon viel geändert, seit Frauen Einzug in die Dorfräte gehalten hätten. Und das aus einem ganz einfachen Grund, denn "Frauen können die Probleme von Frauen besser verstehen. Sie sind zuverlässiger, vorausschauender, verschreiben sich einer Sache voll und haben ein Problembewußtsein.“
Blick zu den Nachbarn
Indiens Nachbarländer wie Nepal, Pakistan und Bangladesch haben in der ein oder anderen Form bereits vor Jahren Frauenquoten eingeführt. In Nepal sind 33 Prozent der Sitze für Frauen reserviert, in Bangladesch sind es seit einer Verfassungsänderung 2004 etwa 13 Prozent. In Pakistan gibt es ein sehr kompliziertes Reservierungssystem. Dort sind 60 Sitze von 342 in der Nationalversammlung - etwa 17,5 Prozent - für Frauen reserviert. Auch in Indonesien gibt es eine Frauenquote, anders als in China oder Sri Lanka. Weltweit gibt es etwa 40 Länder, die Frauenquoten eingeführt haben. Die Feministin Urvashi Bhutalia betont aber, dass man die Frauenquoten einzelner Länder nicht miteinander vergleichen könne. Denn jedes Land habe seine eigene Geschichte, und damit sei automatisch auch die jeweilige Frauenquote verknüpft.
In Indien spaltet die Diskussion um eine Einführung der Frauenquote die Gesellschaft. Selten wurde dort so sehr um ein Gesetz gestritten wie um dieses. Bereits seit mehr als 14 Jahren versucht eine Regierung nach der anderen im Parlament und den Regionalvertretungen eine Frauenquote einzuführen - gegen erhebliche Widerstände. "Diese ganzen Zweifel, der Zorn und die Angst, die bei uns mit der Frauenquote geschürt werden, dienen nur dem Zweck, dieses progressive Gesetz noch irgendwie aufzuhalten", meint Frauenrechtlerin Urvashi Bhutalia.
Wichtiger erster Schritt
Kritikpunkte, dass sich dennoch nur Frauen aus privilegierten Familien die reservierten Sitze in Indien sichern werden, läßt Urvashi Bhutalia nicht gelten. Sicher brauche es eine gewisse Zeit - wahrscheinlich sogar mehr als ein Jahrzehnt - das Gesetz in vollem Umfang umzusetzen und die Frauen an der Basis zu erreichen. Aber um die Mentalität Frauen gegenüber in Indien zu verändern, bedürfe es eben viel Geduld. Die Verabschiedung des Gesetzes sei dafür ein unerläßlicher, erster Schritt.
Autorin: Priya Esselborn
Redaktion: Esther Broders