Kampf gegen die Autokrise
8. November 2012EU-Industriekommissar Antonio Tajani malte zunächst ein düsteres Bild vom Zustand der europäischen Autoindustrie. Bluten mussten in letzter Zeit vor allem Massenhersteller wie Opel, Ford, Fiat und Peugeot mit zum Teil heftigen Verlusten. Sie leiden nicht nur unter der Nachfrageschwäche in großen Teilen Europas, auch die asiatische Konkurrenz macht ihnen zu schaffen. Doch die Kommission weiß um die Bedeutung der europäischen Autoindustrie als Teil der industriellen Basis und als großer Arbeitgeber. "Zwölf Millionen Menschen hängen direkt oder indirekt vom Automobilsektor ab, der gleichzeitig mit jährlich etwa 28 Milliarden Euro der größte private Forschungsinvestor ist", führte Tajani aus. In dem Sektor würden außerdem vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU erwirtschaftet.
Mehr Forschungsgelder in grüne Technik
Die Kommission will deshalb der Branche helfen, allerdings gezielt. Das europäische Auto der Zukunft soll vor allem grüner und sicherer werden und sich damit gegen außereuropäische Konkurrenz durchsetzen. Tajani will dazu die Forschung in diesen Bereichen fördern. Wenn es nach ihm geht, sollen die Gelder aus dem europäischen Forschungsbudget der Jahre 2014 bis 2020 für Autoinnovationen von einer auf zwei Milliarden Euro verdoppelt werden. Das dürfte allerdings kaum durchzusetzen sein, denn die EU-Staats- und Regierungschefs ringen gerade heftig um den neuen EU-Haushalt. Der Spardruck ist groß.
Klima schützen oder Autos schützen?
Die Kommission will mit ihrem Aktionsplan zwei Ziele gleichzeitig erreichen, die schwer zu vereinbaren sind. Sie will die europäische Autoindustrie schützen, aber auch das Klima - ab 2020 soll zum Beispiel ein Fahrzeug im Durchschnitt nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Das entspricht einem Verbrauch von rund vier Litern auf 100 Kilometern. Die mächtige Autoindustrie schreit Zeter und Mordio über die Belastung und versucht, das Ziel zu verwässern. Tajani nennt die Kommissionsstrategie "wohlausgewogen zwischen dem Kampf gegen den Klimawandel und der Wettbewerbsfähigkeit der Autoindustrie".
Doch die Autohersteller setzen sich durch und verspielen damit einen Wettbewerbsvorteil, glaubt der deutsche Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer. Er fordert die Kommission auf, gegenüber dem Verband der europäischen Automobilhersteller klarzumachen: "Wir sind nicht der Flickschuster für die industriellen Fehler, die einzelne Hersteller gemacht haben, und die Europäische Kommission ist nicht das Sozialamt für Automobilkonzerne."
Kommission will keine Werksschließungen verhindern
Was Tajani auf keinen Fall tun wird, das hat er auch gesagt. In den Kapazitätsabbau in Europa will er nicht eingreifen. Es sei zwar seine Aufgabe, "die Abwanderung der europäischen Autoindustrie aus der Union zu stoppen". Aber das gelte für die Gesamtbranche. Die Kommission werde sich nirgendwo in die Diskussion einmischen, ob ein einzelnes Werk zu schließen sei oder nicht. Und dass es in diesem Anpassungskampf nach europäischen Wettbewerbsregeln fair zugeht, auch darauf hat die Kommission zu achten. Kein Hersteller und kein Land darf bevorzugt werden. Von daher werden wohl alle enttäuscht sein, die sich von der Kommissionsinitiative einen reichen Subventionssegen für alle erhofft hatten.