Was für eine Achterbahnfahrt. Am Mittwoch noch sah Martin Schulz wie ein Sieger aus. Hatte für seine SPD das Maximum herausgeholt bei den Koalitionsverhandlungen mit Merkels CDU und der CSU. Das Arbeits-, das Finanzministerium und nicht zuletzt den Außenministerium für sich selbst. Jetzt steht er ohne jedes Amt da. Parteivorsitz – weg, sein Wunschposten als Minister – ebenfalls weg. Was hat zu diesem Drama geführt?
Martin Schulz hat seiner Partei zu viele Kehrtwenden zugemutet und zu viele strategische Fehler gemacht. Das hat er selbst eingesehen und wollte sich ins Amt des Außenministers retten, in dem er auf den Parteivorsitz freiwillig verzichtet. Doch Martin Schulz hat die Rechnung ohne den machtbewussten Sigmar Gabriel gemacht. Der ist beliebt wie kein anderer Spitzenpolitiker in Deutschland und wollte selbst Außenminister bleiben.
Wenn Freunde auseinandergehen
Seine ganze Wut und Verachtung dem Mann gegenüber, den er einmal Freund nannte, hat Gabriel schließlich in einem Interview mitgeteilt. "Meine kleine Tochter Marie hat mir heute früh gesagt: ‚Du musst nicht traurig sein, Papa, jetzt hast Du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht." Der Mann mit den Haaren im Gesicht heißt Martin Schulz. Überall zitiert, überall nachzulesen. Gesprächsthema Nummer Eins heute in Berlin. Der geschäftsführende Außenminister und Ex-Parteivorsitzende Gabriel lässt seine Tochter für sich sprechen. Schlimmstes Schmierentheater. Wie sehr wird durch diesen Satz klar, was hinter den Kulissen in der ältesten Partei Deutschlands abgeht! Nicht nur ihr Ansehen nimmt dabei Schaden, sondern das der Politik insgesamt.
Martin Schulz konnte sich von diesem Schlag nicht mehr erholen. Gedemütigt tritt er jetzt ab. Und möchte damit der Partei einen letzten Dienst erweisen. Er hoffe "inständig", damit die Personaldebatten in der SPD zu beenden. So will er die Parteimitglieder dazu bewegen, dem Koalitionsvertrag mit Angela Merkels Union zuzustimmen. Das Mitgliedervotum der SPD ist die nächste Hürde, damit die neue Regierung überhaupt gebildet werden kann. Mit seinem Abgang konnte Schulz vielleicht die Wogen innerhalb der Partei vorerst glätten. Doch der Ausgang des Mitgliederentscheids ist nach wie vor offen.
Auch Merkel muss jetzt zittern
Martin Schulz konnte sich auf seine Partei am Ende nicht mehr verlassen. Eine Partei, die ihn vor knapp einem Jahr noch mit 100 Prozent zum Vorsitzenden gewählt hatte. Zum Schluss wirkte die SPD wie in Totalverweigerung. Sie da jetzt schnell herauszuführen, das ist die schwierige Aufgabe des übrigen Parteivorstands - vor allem jedoch von Andrea Nahles. Die Frage ist, ob das bis zum 4. März, dem entscheidenden Tag des Mitgliedervotums, zu schaffen ist. Denn sonst steht nicht nur die SPD vor einem Scherbenhaufen – sondern auch Kanzlerin Merkel.
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